Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
richtig«, sagte Skwarecki.
Cate beugte sich zu mir und flüsterte: »Wissen sie schon, was wirklich passiert ist?«
Ich zuckte die Schultern. »Skwarecki hat nichts gesagt.«
»Und ist es wirklich so gewesen, Detective?«, fragte Louise Bost. »Hat Angela in ihrer Anzeige die Wahrheit angegeben?«
»Nein, das hat sie nicht«, sagte Skwarecki.
»Woher wissen Sie das, Detective?«
»Nach ihrer Verhaftung«, erklärte Skwarecki, »hat Angela Underhill gestanden, sie habe mit auf dem Bett gesessen und zugesehen, als Albert Williams ihrem dreijährigen Sohn Teddy so lange mit der Faust auf die Brust einschlug, bis der Junge starb.«
49
Nach Skwareckis Beschreibung des Mordes an Teddy Underhill erwartete ich einen Tumult im Gericht. Doch es blieb still.
Ich beugte mich zu Kyle.
»Keiner rührt sich«, flüsterte ich, »nach so einer Enthüllung?«
»Wahrscheinlich seid du und Cate die Einzigen hier, die noch nichts davon wussten. Aber Louise Bost wäre schön blöd, hätte sie nicht ihr Eröffnungsplädoyer trotzdem darauf aufgebaut. Und sie ist nicht blöd.«
Der Richter schlug dreimal mit dem Hammer auf den Tisch und funkelte uns einigermaßen genervt an.
Louise Bost wandte sich an ihn. »Euer Ehren, ich habe im Moment keine weiteren Fragen an Detective Skwarecki, aber ich möchte sie vielleicht morgen am späten Vormittag noch einmal in den Zeugenstand rufen.«
»Einverstanden, Ms Bost«, sagte er. »Die Verteidigung möge ihre Fragen an die Ermittlerin ebenfalls morgen früh stellen.«
Selbst von hinten sah ich, dass Hetzler sich ärgerte, aber er legte keinen Einspruch ein.
»Da es ziemlich spät geworden ist«, fuhr der Richter fort, »vertagen wir auf morgen früh.«
»Danke, Euer Ehren«, sagte Louise Bost.
Cate, Kyle und ich gingen hinaus in die Lobby. Cate musste gehen, und wir umarmten uns zum Abschied, doch Kyle blieb bei mir stehen.
»Hast du einen Moment Zeit?«, fragte er, als wir Catenachsahen, die durch das große Eingangsportal hinaus in den Winter trat.
»Klar, was gibt’s?«
Er legte mir die Hand auf den linken Arm und sah sich um. »Gehen wir einen Kaffee trinken.«
»Hast du Feierabend?«
»Ja.«
»Dann vergiss den Kaffee. Wir fahren zurück nach Manhattan und trinken was Richtiges.«
Im Auto wirkte er zerstreut.
»Du hast doch nicht vor, mich zu fragen ob ich Staatsgeheimnisse gestohlen hätte, oder?«, fragte ich, nachdem wir eine Weile schweigend im Wagen saßen.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß nur nicht, wie viel ich dir sagen darf.«
»Nach all den Nächten, als wir im College Tequila getrunken und Wahrheit oder Pflicht gespielt haben? Ich glaube nicht, dass noch irgendwelche Geheimnisse übrig sind.«
Er antwortete nicht.
»Kyle, ich bin’s. Du kannst mir alles sagen. Das weißt du.«
»Es ist nichts Persönliches. Es geht um den Fall. Und ich weiß nicht genau, was für ethische Konsequenzen es hat.«
»Ich kann Geheimnisse bewahren. Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, haben wir alle einiges mitgemacht.«
»Jetzt bin ich Beamter bei Gericht. Das ist was anderes.«
»Ich würde nie was tun, was den Ausgang der Verhandlung gefährden könnte.«
»Ich weiß.«
»Dann rede mit mir.«
Schweigend hielt er am Mautschalter des Tunnels.
»Kyle?«
»Es geht um Mrs Underhill«, sagte er.
Ich packte ihn am Arm. »Geht es ihr gut? Oje, ich hätte sie gestern anrufen sollen.«
»Ihr geht es gut, körperlich. Ich wollte dir keinen Schreck einjagen.«
»Was dann? Was ist los?«
»Warte, bis wir beide einen Cocktail vor uns stehen haben, okay?«
Am Ende landeten wir in einem miesen Irish Pub auf der Third Avenue.
Kyle bestellte einen Jameson auf Eis. Ich bat um ein Glas Guinness und wappnete meine Geschmacksknospen für eine Enttäuschung.
Wir rutschten in eine Nische, und der Barkeeper warf ein paar Münzen in die Jukebox.
»Clancy Brothers«, sagte ich. »Würg.«
»Früher habe ich irische Spelunken geliebt.«
»Früher habe ich irische Kerle geliebt. Glücklicherweise lässt sich so was behandeln.«
»Wie?«
»Mit Penizillin.«
Ich trank einen Schluck Guinness und schob es weg. Offensichtlich hatte jemand einen WC-Stein darin aufgelöst.
»Wahrheit oder Pflicht, Kyle.«
Er fuhr mit der Fingerspitze über den Rand des Glases. »Wahrheit.«
»Was ist los?«
»Mrs Underhill will ihre Aussage ändern. Louise Bost braucht sie im Zeugenstand.«
»Sie hat vor der Jury ausgesagt, oder?«
Kyle antwortete nicht. Ich schätzte, er durfte
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