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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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und Skwarecki gaben uns ihre Visitenkarten.
    »Falls Sie irgendwas finden, wenn Sie wieder dort sind«, sagte Skwarecki, »fassen Sie es nicht an. Ich möchte, dassSie mich sofort anrufen, Tag oder Nacht, okay? Meine Funknummer steht auch drauf.«
    Cate und ich versicherten ihr, dass wir ihre Anweisungen genau befolgen würden und dass wir nachts sowieso nicht auf dem Friedhof wären, erst recht nicht nach heute.
    Louise Bost wirkte nicht ganz überzeugt. »Sind die nächsten Freiwilligen wieder Teenager?«
    »Nein«, sagte Cate. »Sie gehören zu einer Quäkergemeinde in Matinecock. Hauptsächlich Rentner. Sie kommen zweimal im Jahr, wirklich feine Menschen. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass sie achtsam und respektvoll sind.«
    Die Staatsanwältin nickte. »Dann soll es mir recht sein. Ich habe das Gefühl, Sie sind eine Frau mit gutem Urteilsvermögen.«
    »Danke«, sagte Cate.
    »Ich würde auch gern wieder mitkommen«, sagte ich, »wenn es dir recht ist, Cate?«
    Sie lächelte. »Natürlich. Das wäre schön.«
    Wir standen auf und schüttelten einander zum Abschied die Hände.
    Bevor Cate und ich uns auf den Weg machten, hielt Cate noch einmal inne. Sie drehte sich zu den beiden Frauen um.
    »Der Friedhof ist mir sehr wichtig«, erklärte sie. »Maddie und ich haben Verwandte, die dort begraben sind. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber irgendwie ist es ein heiliger Ort für mich. Und wenn ich mir vorstelle – zu wissen, dass ein Kind dort gequält wurde … Ich will wirklich alles tun, was in meiner Macht steht, um zu helfen.«
    Amen.
    Ich folgte ihr zur Tür und fragte mich, wie wir in dem Labyrinth der glänzenden grünen Flure je den Ausgang finden sollten, was mich irgendwie an Lewis Carroll erinnerte.
    Als wir vor dem Revier aufbrachen, zeigte die Uhr auf Cates Armaturenbrett 18 Uhr 17.
    »Wenn du willst, fahre ich dich in die Stadt zurück«, bot sie an.
    »Nein, du musst wirklich nicht extra nach Manhattan reinfahren.«
    »Um wie viel Uhr ist dein Essen?«
    »Wir treffen uns um acht, irgendwo in Chinatown. Ich wollte vorher noch duschen.«
    »Dann lasse ich dich gehen. Um die Uhrzeit bist du mit der U-Bahn am schnellsten.«
    »Wunderbar«, erklärte ich.
    Eine Weile hingen wir schweigend unseren Gedanken nach.
    »Es war schön, was du auf dem Revier gesagt hast«, sagte ich irgendwann. »Ich habe das Gefühl auch, obwohl ich nicht die gleiche Verbindung zu dem Friedhof habe wie du.«
    Cate nickte. »Ich kann es nicht erklären, aber ich fühle mich verantwortlich.«
    »Bei mir sind es Schuldgefühle. Die Ludlams haben weiß Gott genug Indianer auf dem Gewissen. Ganz zu schweigen von den Sklavengräbern.«
    »Oje«, sagte Cate, »wir sind wirklich verwandt.«
    Während mich die U-Bahn wie im Flug nach Manhattan zurückbrachte, dachte ich über die Ereignisse des Tages nach.
    Vielleicht war es ein Segen, dass das Kind gestorben war und keine Schmerzen mehr erleiden musste? Aber das war eine schreckliche Lösung. Die allerschlimmste.
    Als ich klein war, hatte ich zu oft erlebt, wie sich die Ohnmacht anfühlte, wenn ich anderen Kindern nicht helfen konnte, die Hilfe so dringend nötig hatten. Das Einzige, was sich an dem Gefühl verändert hatte, war, dassich jetzt in einem erwachsenen Körper steckte. Im Innern fühlte ich mich immer noch wie damals, wie der grimmige Wildfang, der mit Fäusten und Füßen jedes Kind verteidigen wollte, das auf dem Spielplatz oder zu Hause schlecht behandelt wurde.
    Ich wuchs in einer Zeit und an einem Ort auf, wo Kinder den Taten ihrer Eltern und Stiefeltern erschreckend schutzlos ausgeliefert waren: im Kalifornien der späten sechziger und frühen siebziger Jahre. Die Großen waren so damit beschäftigt, Peter Pan und Selbstverwirklichung zu spielen, dass die meisten von uns Kindern besser dran gewesen wären, wenn sie in einer Höhle bei LSD-schluckenden Wölfen aufgewachsen wären.
    Mit acht hatte ich ein robustes Fort im Wald gebaut, für den Fall, dass einer meiner Freunde von zu Hause abhauen musste. Ich sorgte immer dafür, dass Kohle, Streichhölzer, ein Topf und fünf Dosen Chili da waren, die ich im Supermarkt geklaut hatte, sicher verstaut in einem wasserfesten Versteck in der Erde, wie ich es in meinem Flohmarktexemplar des Pfadfinderinnenhandbuchs gelesen hatte.
    Es liefen einfach zu viele böse Stiefväter und psychotische Liebhaber von geistig abwesenden Müttern herum.
    Ich wollte uns alle retten.
    Das hatte sich bis heute nicht

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