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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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sitzen, wenn nicht um meinetwillen? Hätte sie ohne mich ihren Irrtum eingesehen und ihr Heil in der Flucht gesucht? Gab sie insgeheim mir die Schuld an ihrer Lage?
    Auf dem Weg in unser neues Zuhause im Südosten der Stadt fuhren wir an einer Reihe von niedergeschlagenen Gesichtern und Mienen vorbei. Die Gebäude hatten eine Uniformität an sich; wo man hin sah, standen die undurchdringlichen Mietskasernen. Die Härtefälle der Gebäudewelt. Die Elemente legten sich mit diesen Typen nicht an. Sie zwangen der Stadt ihren Willen auf, ließen die Aktivitäten auf der Straße unter sich schrumpfen.
    Und eine der Wohnungen in diesen Mietskasernen sollte unser neues Zuhause sein.
     

 
    Montag
    Natürlich war es nicht meine Entscheidung hierherzukommen. Als Jugendlichen wurde uns einfach befohlen, wo und wann wir hingehen sollten. Sklaven der Eltern, Mann.
    Über Glasgow hört man ja nun all diese Geschichten, oder nicht? Messer, Sekten, Gangs, Gewalt. Buckfast zum Frühstück. Regen. Dieser ganze Klischeemüll. Um die Wahrheit zu sagen, mir war das Abenteuer willkommen. Ein bisschen Anthropologie. Ich erwartete sowieso nicht, lange hier zu sein. Ein Jahr maximal. Maximal!
    Und dann würde ich zurück nach Süden gehen. Aber nicht nach Eastbourne. Auf keinen Fall. Nach Brighton vielleicht. Wer weiß? Ich wusste, ich würde es ein Jahr lang aushalten. Ich bin ja kein Problemkind oder so was.
    Was mich begeisterte, war der Akzent. Ich fand ihn brillant, voller Persönlichkeit und purer Energie. Es hört sich an, als ob die ganze Stadt ständig in einen einzigen großen Streit verwickelt ist. Ich versuche noch immer, damit zurechtzukommen. Ich würde sagen, bei einem von vier Leuten, die mir begegnet sind, hatte ich keine Ahnung, was sie überhaupt sagten. Ich nickte einfach nur. Die Pakistanis aber sind klasse. Hier oben haben sie diesen coolen Akzent, in dem sich der Dialekt von Glasgow mit dem pakistanischen mischt. Eine Melodie aus Vokalen. Das ist in dieser Gegend Musik in den Ohren.
    Der Lärm war es, der den großen Unterschied machte. Er kam aus allen Richtungen, drang durch jeden Flur und griff meine Ohren an. Es war kein definierbarer Lärm. Ich würde so weit gehen, zu behaupten, dass ich keine Ahnung hatte, was um mich herum gesprochen wurde. All diese Stimmen mischten sich zu diesem gewaltigen, unbestimmten Rauschen.
    Und dann war da natürlich noch das Starren. Darauf war ich vorbereitet. Ihnen wurde klar, dass ich neu war. Der brandneue Junge. Der, der diesen Tag zu einem besonderen machte. Das Gesprächsthema des Tages. Paranoid bildete ich mir ein, aller Augen wären auf mich gerichtet, zögen mich aus, prüften meinen Wert. Die Mädchen stellten sich die entscheidende Frage: Würde ich oder würde ich nicht? Die Typen fragten sich: Wer zum Teufel ist der? Ist das ein Konkurrent? Könnte ich mit dem leicht fertig werden?
    Mein iPod war aufgeladen. Meine Musik schloss alles andere aus.
    Dass ich keine Freunde hatte, bereitete mir keine Sorgen. Ich hatte gewusst, dass es eine Übergangszeit geben würde. Aber ganz ehrlich, ich brauchte auch keine Freunde. Mein Plan war vergleichsweise einfach: Ich würde mich zurückhalten, gute Noten erzielen und dann verschwinden. An eine gute Universität gehen. Das war nicht unerreichbar.
    Ich sage nicht, dass ich die Möglichkeit für mich ausschloss, neue Leute kennenzulernen, aber ich stehe wirklich nicht auf das ganze Zeug, das derzeit so in ist: Computerspiele zum Beispiel, Play Stations, Xboxes, Facebook, My Space, Twitter, Klingeltöne downloaden, die ganzen coolen Apps für das Handy besorgen, das gerade in Mode ist. All dieser Müll. In meiner neuen Schule war ich ein Vertreter alter Schule. Ich sehe gern Filme, lese Bücher, höre Musik, spiele Gitarre. Nichts Besonderes. An meiner alten Schule habe ich Rugby gespielt. Mir blieb im Grunde keine Wahl, aber ich würde nicht behaupten, dass ich der größte Sportfan war. Mir ist klar, dass ich für die anderen Jungen meines Alters nicht gerade der Hit war. Ich war für sie nicht anziehend. Die Leute drängten sich nicht um mich, um sich meine scharfen, geistreichen Bemerkungen anzuhören. Ich eigne mich nicht als Freund.
    Die Schule war so wie die Stadt. Ein Irrgarten aus Fluren und Türen. Ich war verloren. Ich schaltete den iPod ein und suchte nach Meat is Murder , ich dröhnte mir The Headmaster’s Ritual in die Ohren. Wie passend, dachte ich. Ich drückte mich im Foyer der Schule in eine sichere Ecke und nahm

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