Der Junge, der es regnen liess
außerhalb der Schule verbrachte ich mit Lesen oder Gitarrespielen, während ich in der Schule versuchte mitzuhalten.
Akademisch stellte die Schule keine große Herausforderung für mich dar. Ich kam bemerkenswert gut zurecht. Hatte leichtes Spiel. Anders als die schulischen Anforderungen fand ich die Schule selbst jedoch anfangs ziemlich problematisch. Niemand sprach mit mir, hieß mich willkommen, fragte mich, wo ich herkam, lud mich ein, mich in der Mittagspause zu ihm zu setzen, gab einen Kommentar zu meinem Akzent ab oder verarschte mich. Nichts. Ich war unsichtbar. In der Musikstunde erwischte ich nicht einmal eine Gitarre. Ich stand in der Hackordnung viel zu weit unten. Somit musste ich entsetzliche Proben von Oasis, The Fratellis und den verdammten Kooks über mich ergehen lassen, während ich auf einem schäbigen Keyboard herumklopfte.
Wieder und wieder streifte ich durch das Gebäude und spürte, dass die Leute mich anstarrten, über mich redeten, sogar fasziniert von mir waren, aber ich wollte mehr. Es gab viele peinliche Momente, wenn sich eine Begegnung im Flur nicht vermeiden ließ, doch die Blicke flogen jäh zur Seite, Köpfe waren auf einmal dem Boden zugewandt, und es kam zu brüskierend abrupten Richtungswechseln. Paranoid, wie ich war, hatte ich das Gefühl, die ganze Schule hätte sich zusammengetan, um mich auszuschließen, einschließlich der Lehrer. Es war, als wäre ich der einzige Weiße auf einem Jahrestreffen der Black Panthers – oder so etwas in der Art.
Wie gesagt, es war mehr meine Paranoia als die Realität. Dennoch konnte ich mir nicht helfen, ich war enttäuscht von dem Verhalten meiner Umgebung. Vor meiner Ankunft in Glasgow hatte ich mich damit getröstet, dass die Schotten – und insbesondere die aus Glasgow – als freundlicher, liebenswerter Haufen galten. Doch nach allem, was ich sah, waren sie das ganz und gar nicht.
Mein Dad behauptete hingegen, er fühle sich pudelwohl in seiner neuen Stellung und käme mit seinen neuen Kollegen bombig zurecht. Ich glaubte ihm nicht.
Sprache
Nach ein paar Tagen fiel mir Rosie auf. Wir waren in Englisch, Italienisch und Religion in denselben Kursen. Ich muss sagen, sie zeichnete sich in den Fächern nicht gerade aus. Damit will ich nicht sagen, dass ich sie für unintelligent hielt. Uninteressiert traf es besser. Sie meldete sich im Unterricht nicht zu Wort. Sie sprach nur, wenn die Lehrer sie fragten.
Irgendetwas war anders an ihr, sie hob sich von den übrigen Mädchen ab. Meilenweit. Ich habe mir das Gehirn zermartert, um herauszufinden, was sie so weit über die anderen hinaus hob, und bin zu dem Schluss gekommen, dass es nicht in erster Linie ihr Aussehen war, obwohl das eine wichtige Rolle dabei spielte. Eher ihre Haltung und ganz allgemein ihr Verhalten. Als sie mir zuerst auffiel, hatte sie so einen Ausdruck im Gesicht, einen Ausdruck, der deutlich machte, dass sie einen schlechten Tag hatte. Geradezu knurrig. Es war ein echter Leg-dich-nicht-mit-mir-an-Ausdruck. Allein dieser Blick machte sie augenblicklich aufregender und interessanter. Hinter diesen Augen ging mehr vor als bei irgendeiner anderen.
Sie machte auf mich den Eindruck, dass sie die Typen in der Schule für dämlich, unreif und langweilig hielt. Nach meiner wenigen Erfahrung hätte ich ihr darin nicht widersprochen. Ich hatte nicht allzu viele gesehen, die hinter ihr her waren, also nahm ich an, dass ihre Möchtegern-Verehrer begriffen hatten, was ihre Aura suggerierte: Wag es verdammt noch mal nicht, auch nur daran zu denken.
Rosie erinnerte mich an die Figur, die Ally Sheedy in The Breakfast Club spielt. Sheedy ist diese dunkle, geheimnisvolle Frau mit den melancholischen Augen, den coolen Klamotten und dem eigenwilligen Musikgeschmack. Ich weiß noch, als ein paar Jungen an meiner alten Schule den Film zum ersten Mal sahen, fuhren sie alle auf die Figur ab, die von Molly Ringwald gespielt wird, das süße, unschuldige Mädchen, Typ Nachbarstochter. Um ehrlich zu sein, auf ihre Weise war sie schon attraktiv, aber nichts, um deswegen auszuflippen. Von den roten Haaren ganz zu schweigen.
Ich gehörte zu den Ally-Sheedy-Fans. Und Rosie erinnerte mich an Ally Sheedy, nur war sie eine wesentlich attraktivere Version. In gewisser Weise erinnerte sie mich an zu Hause.
Ich habe Rosie nie angemacht, denn ich wollte bei den anderen keine Aggressionen wecken, und außerdem war ich nicht in der Stimmung, mir eine Abfuhr einzuhandeln. Ich wollte keine
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