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Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Titel: Der Junge, der mit den Piranhas schwamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Panchos Namen. Er nimmt Nitascha an die Hand und führt sie vorwärts. Er fühlt sich wie von einem Magneten angezogen. Er zittert vor Aufregung und Angst und hält Nitaschas Hand ganz fest. „Komm weiter“, flüstert er ihr zu. „Bitte bleib bei mir, Nitascha.“
    Sie erwidert leise, dass sie bei ihm bleibt.
    Dann verstummt die Menge und plötzlich steht Pancho höchstpersönlich neben dem Anhänger. Er trägt einen blauen Umhang, der am Hals mit einer goldenen Schnur zusammengebunden ist. Auf seinem Kopf sitzt eine blaue Taucherbrille. Er schaut in die Menge und sieht Stan. Er lächelt und das Lächeln steigert Stans Aufregung noch. Stan führt Nitascha noch näher heran, bis sie in der ersten Reihe stehen, so nah, dass sie Pancho Pirelli beinahe berühren können.
    „Willkommen“, murmelt Pancho. Dann wird sein Gesicht hart und entschlossen und er wendet sich der Menge zu. „Mein Name“, sagt er in die Stille hinein, „ist Pancho Pirelli.“
    Die Leute kichern, seufzen und lächeln.
    Pancho hebt die Hand. „Heute“, sagt er, „werde ich für euch die Zähne des Todes berühren. Heute werde ich ihnen gegenübertreten. Heute werde ich für euch mit ihnen tanzen.“
    „Tu es, Pancho!“, ruft jemand aus der Menge. Und andere Stimmen fallen mit ein.
    „Tu es, Pancho!“ – „Wir lieben dich, Pancho!“ – „Du bist ein Verrückter! Du bist wahnsinnig!“ – „Vollkommen irre!“ – „Du bist fantastisch!“ – „Tu es für uns, Pancho Pirelli!“
    Pancho lässt die Rufer einen Moment gewähren, dann streckt er den Arm aus und greift nach der Plane, die den Anhänger bedeckt. Er zieht daran und die Plane teilt sich wie ein Bühnenvorhang. Und Stans Unterkiefer klappt auf, denn dort, hinter der Plane, ist klares Wasser. Es funkelt in der Sonne und ein Schwarm Fische schwimmt elegant darin hin und her.
    Der ganze Anhänger ist ein Fischbecken. Und die Fische?
    „Piranhas!“, keucht die Menge auf. „Pancho Pirellis prädatorische Piranhas!“
    Pancho dreht sich um. Die Stimmen verstummen.
    „Dies hier“, sagt er, „sind meine Piranhas.“
    Die Fische sind eigentlich ganz hübsch: oval, silbergrau mit einem roten Fleck auf Wangen und Unterkiefer. Sie sind etwa so groß wie ein Kinderkopf. Nicht größer.

    Stan starrt. „Piranhas!“, flüstert er Nitascha zu. Wie die meisten Leute weiß er über Piranhas Bescheid. Das sind die tödlichen Fische aus Mythen und Legenden. Fische, die einen Mann innerhalb von Sekunden bis auf die Knochen abnagen. Aber diese Fische kommen ihm so zahm vor, so ruhig. Sind das wirklich Piranhas?
    „Das sind doch gar keine Piranhas!“, ruft jemand. „Das können unmöglich Piranhas sein!“
    Pancho lächelt. „Nein“, sagt er. „Das können unmöglich Piranhas sein. Möchten Sie Ihre Hand ins Wasser halten, um es zu überprüfen?“ Er tritt vor, in die Menge. „Wie wäre es mit Ihnen, verehrte Dame?“, fragt er. „Oder mit Ihnen, mein Herr?“
    Die Leute lachen. Sie weichen zurück, um Pancho durchzulassen. Stan sieht Pancho nach, der durch die Menge geht. Er betrachtet die Fische, die so wunderschön durch das kristallklare Wasser gleiten, sich so elegant mit ihren Flossen und Schwänzen vorwärtsschieben. Ihre Mäuler öffnen und schließen sich, als ob sie sagen wollten: O O O O O O O O .
    „Oder vielleicht du, mein junger Freund?“, ertönt da eine Stimme neben ihm.
    Es ist Pancho, der sich zu Stan hinunterbeugt.
    „Du siehst so aus, als würdest du dich in der Welt der Fische auskennen“, sagt Pancho. „Du siehst so aus, als könntest du gut und gerne selbst ein Fisch sein. Möchtest du …?“

    Aber dann dreht er sich blitzschnell um und packt einen kleinen Jungen, der in der Nähe steht und gerade ein belegtes Brot isst. „Oder du!“, ruft er. „Du siehst aus wie ein kleiner Frechdachs! Stimmt’s?“
    Der Junge bekommt kein Wort heraus, aber der Mann neben ihm sagt: „Da haben Sie Recht, Herr Pirelli. Er ist tatsächlich ein ziemlicher Frechdachs!“
    „Papa!“, schreit der Junge. Er will sich von Pancho losreißen, aber er schafft es nicht. Er keucht und kichert und grunzt.
    „Er ist ein echtes Monster, Herr Pirelli“, sagt der Vater, der vor Lachen kaum sprechen kann. „Ein richtiger Satansbraten! Meine Frau und ich haben schon oft überlegt, ob wir ihn an Pancho Pirellis Piranhas verfüttern sollen.“
    „Na, dann mal los!“, sagt Pancho. Er geht mit dem Jungen zum Fischbecken und nimmt ihm das belegte Brot aus der Hand.

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