Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
Frank.«
Der Junge blieb stehen. »Ich muß mich dem allen stellen, das weiß ich.«
»Was meinst du mit ›dem allen‹?«
»Denen sagen, was ich getan habe – das mit meinem Vater.« Als wäre das sein Todesurteil.
»Tu das nicht, habe ich gesagt.« Tom sprach leise, dabei wußte er, daß Héloïse auf ihrem Zimmer war oder im Bad. Beide Räume gingen nach hinten hinaus. »Du mußt das nicht tun, und das weißt du auch. Warum fängst du also wieder damit an?«
»Wenn ich Teresa noch hätte, würde ich das nicht tun, das schwöre ich. Aber nicht einmal sie bleibt mir noch.«
Da war er wieder, der tote Punkt, dachte Tom. Teresa.
»Vielleicht bring ich mich um. Was sonst? Das ist keine dumme leere Drohung. Ich bin nur vernünftig.« Er sah Tom in die Augen. »Mein ganzes Leben – heute nachmittag hab ich es da oben im Zimmer überdacht.«
Mit sechzehn. Tom nickte und sagte etwas, das er selber nicht glaubte: »Vielleicht hast du Teresa ja gar nicht verloren. Vielleicht schwärmt sie nur ein paar Wochen für jemand anders, oder sie glaubt das bloß. Siehst du, Mädchen spielen gerne. Aber sie weiß bestimmt, daß du es ernst meinst.«
Frank lächelte dünn. »Was bringt mir das? Der andere Kerl ist älter als ich.«
»Jetzt hör mal zu, Frank…« Würde es irgend etwas nützen, den Jungen noch einen Tag in Belle Ombre zu halten und zu versuchen, ihn zur Räson zu bringen? Das schien Tom sofort mehr als zweifelhaft. »Eines mußt du nun wirklich nicht tun – jemandem davon erzählen.«
»Ich glaube, das muß ich selbst entscheiden«, erwiderte Frank erstaunlich kühl.
Sollte er den Jungen nach Amerika begleiten, ihm über die ersten ein, zwei Tage mit der Mutter hinweghelfen und sicherstellen, daß ihm nichts herausrutschte? »Nehmen wir an, ich käme morgen mit.«
»Nach Paris?«
»In die Staaten, meinte ich.« Tom hatte erwartet, der Junge würde sich entspannen und aufleben, aber Frank erwiderte nur achselzuckend: »Ja, aber was würde das letzten Endes –«
»Frank, du wirst nicht zusammenbrechen! – Hast du was dagegen, daß ich mitkomme?«
»Nein. Sie sind eigentlich mein einziger Freund.«
Tom schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht dein einziger Freund, nur der einzige Mensch, mit dem du darüber gesprochen hast. Na gut, ich begleite dich. Und ich will es Héloïse gleich sagen. – Komm mit nach oben, schlaf ein bißchen, ja?«
Der Junge folgte Tom die Treppe hinauf. Oben sagte Tom: »Gute Nacht, bis morgen«, ging zu Héloïses Tür und klopfte. Sie lag im Bett und las, auf den Ellbogen gestützt, zwei Kissen im Rücken. Ein Taschenbuch, bemerkte Tom, ihre zerlesene Ausgabe von Audens Selected Poems. Sie mochte seine Gedichte; sie seien »klar«, sagte sie. Merkwürdige Zeit für Gedichte, dachte Tom, doch vielleicht auch nicht. Ihr verschwommener Blick richtete sich wieder auf die Gegenwart, auf ihn und den Jungen.
»Ich fliege morgen mit Frank nach Amerika«, sagte er. »Wahrscheinlich nur für zwei, drei Tage.«
»Warum? Tom, viel hast du mir nicht erzählt. Fast gar nichts.« Sie warf das Buch beiseite, war aber nicht wütend.
Auf einmal wurde Tom klar, daß es etwas gab, das er ihr nicht sagen konnte. »Er ist in ein Mädchen verliebt. Eine Amerikanerin. Seit kurzem hat sie einen anderen, deswegen ist der Junge so niedergeschlagen.«
»Ist das ein Grund, ihn nach Amerika zu begleiten? Was ist wirklich in Berlin passiert? Du schützt ihn doch immer noch – vor was? Einer Bande?«
»Nein! Eine Entführung, das ist in Berlin passiert. Als Frank und ich einen Spaziergang machten, in einem großen Wald dort. Wir waren ganz kurz getrennt, und die haben ihn sich geschnappt. Ich habe ein Treffen mit den Kidnappern vereinbart –« Er hielt inne. »Na, jedenfalls konnte ich den Jungen aus ihrer Wohnung befreien. Er war ganz schläfrig von den Tranquilizern. Ein bißchen ist er das immer noch.«
Héloïse schien ihm nicht zu glauben. »Und all das in Berlin – in einer Stadt?«
»Ja. West-Berlin. Die Stadt ist größer, als du denkst.« Tom hatte sich ans Fußende ihres Bettes gesetzt, nun aber stand er auf. »Und mach dir wegen morgen keine Sorgen, weil ich schon sehr bald wieder hier bin, und… Wann genau gehst du eigentlich auf diese Kreuzfahrt? Nicht vor Ende September, oder?« Heute war der erste September.
»Am achtundzwanzigsten. – Tom, was bedrückt dich wirklich? Glaubst du, sie wollen den Jungen noch einmal entführen? Dieselben Leute?«
Tom lachte: »Nein, bestimmt
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