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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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einen Mann wie ihn womöglich nebensächlich. Ich weiß es nicht. Bestimmt war er wesentlich glücklicher als Howard Hughes.« Thurlow lachte. »Der Mann ist ja wahnsinnig geworden!«
    »Was glauben Sie, warum hat John Pierson sich umgebracht?«
    »Ich weiß nicht, ob er sich umgebracht hat.« Er sah Tom an. »Was meinen Sie damit? Hat Frank das so gesagt?« fragte Thurlow beiläufig.
    Wollte der Mann ihn aushorchen? Oder den Jungen abklopfen? Auch Tom wiegte den Kopf betont langsam hin und her, obwohl das Taxi gerade in diesem Moment jäh ausscherte, um einen Laster zu überholen. Sie rasten auf der périphérique weiter nach Norden. »Nein, Frank hat gar nichts gesagt. Oder nur das wiederholt, was in den Zeitungen stand – daß es ein Unfall gewesen sein könnte. Oder Selbstmord. Was glauben Sie?«
    Thurlow schien zu überlegen, doch auf seinen schmalen Lippen lag ein Lächeln, als sei er schon sicher. Tom sah das mit einem Blick. »Ich denke schon, es war eher Selbstmord als ein Unfall. Ich weiß es nicht«, versicherte er, »das ist bloß meine Vermutung. Er war schon in den Sechzigern. Wie kann ein Mann glücklich sein, der im Rollstuhl sitzt, halb gelähmt ist – und das seit zehn Jahren? John hat immer versucht, gute Laune zu zeigen, aber vielleicht hatte er einfach genug? Keine Ahnung. Doch ich weiß, daß er schon unzählige Male da draußen auf der Klippe gewesen war. Und an jenem Tag war es ruhig – kein Wind, der ihn von der Kante geblasen hätte.«
    Tom war zufrieden: Den Jungen schien Thurlow nicht zu verdächtigen. »Und Lily, wie ist sie?«
    »Ganz anders. In ihrer eigenen Welt. Sie war Schauspielerin, als John sie kennenlernte. Warum fragen Sie?«
    »Weil ich sie wahrscheinlich treffen werde.« Tom lächelte. »Hat sie einen Lieblingssohn?«
    Thurlow lächelte ebenfalls, erleichtert, denn die Frage war unverfänglich. »Sie denken wohl, daß ich die Familie gut kenne. So gut nun auch wieder nicht.«
    Tom beließ es dabei. Sie hatten die périphérique an der Ausfahrt Porte de la Chapelle verlassen; jetzt lagen die langweiligen fünfzehn Kilometer Flughafenzubringer vor ihnen, die zu dem grauenvollen Bau namens Charles deGaulle führten – eine Beleidigung für das Auge, wie Tom fand, fast so schlimm wie das Centre Beaubourg, doch im Beaubourg gab es wenigstens schöne Dinge zu sehen.
    »Womit verbringen Sie Ihre Zeit, Mr. Ripley?« fragte Thurlow. »Jemand erzählte mir, Sie hätten keinen gewöhnlichen Job – Sie wissen schon, im Büro und so weiter…«
    Das war nun für Tom unverfänglich, weil er diese Frage schon so oft beantwortet hatte. Da war die Gartenarbeit, sagte er, dann nehme er Cembalounterricht, lese gern französische und deutsche Literatur und bemühe sich stets, in diesen Sprachen besser zu werden. Er spürte, daß Thurlow ihn ansah wie einen Außerirdischen. Vielleicht lag sogar Abscheu in seinem Blick. Tom war das völlig egal. Er hatte schon Schlimmeres überstanden als diesen Mann. Thurlow hielt ihn für eine zwielichtige Gestalt, fast schon für einen Gauner, womöglich für einen Gigolo, der das Glück gehabt hatte, eine wohlhabende Französin zu heiraten, für einen Schnorrer, Schmarotzer und Faulenzer. Tom wahrte seine ausdruckslose Miene, denn er könnte in den kommenden Tagen Thurlows Hilfe oder gar Loyalität brauchen. Hatte der Mann je so hart für etwas kämpfen müssen wie er für den Schutz von Derwatts Namen? Eigentlich für den Schutz der Derwatt-Fälschungen, doch die ältere Hälfte der Bilder war selbstverständlich echt. Hatte Thurlow Mafiamänner erschlagen, wie er das getan hatte? Oder mußte man sie heutzutage »Mitglieder des organisierten Verbrechens« nennen, diese sadistischen Zuhälter und Erpresser?
    »Und Susie?« fuhr Tom fort, immer noch freundlich. »Ich nehme an, Sie kennen sie?«
    »Susie? Ach so, die Haushälterin. Ja, sicher. Sie ist schon da, seit ich denken kann. Kommt langsam in die Jahre, aber sie wollen sie nicht… in Pension schicken.«
    Am Flughafen konnten sie keine Trolleys finden, also schleppten sie alles Gepäck zum Check-in-Schalter von TWA . Plötzlich tauchten zwei, drei Fotografen auf, die mit ihren Kameras beiderseits der Warteschlange in Stellung gingen. Tom senkte den Kopf und sah noch, wie der Junge sein Gesicht gelassen hinter der Hand verbarg. Thurlow, Tom zugewandt, schüttelte mitfühlend den Kopf. Ein Reporter sprach Frank in französisch gefärbtem Englisch an:
    »Hatten Sie einen schönen Urlaub in Deutschland,

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