Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
herein!«
    »Ben!« sagte er lächelnd. »Wie sieht’s aus?«
    »Schauen Sie sich nur dieses komische Bett an!«
    Beide mußten laut loslachen. Auch Frank hatte die Überdecke zurückgeschlagen und seinen Pyjama auf die eingeknöpfte Daunendecke gelegt.
    »Gehen wir spazieren. Wo sind deine beiden Pässe?« Tom vergewisserte sich, daß der neue Paß des Jungen nicht zu sehen war, fand Johnnys Ausweis in dem Koffer und steckte ihn in einen Briefumschlag, den er der Schreibtischschublade entnahm und unten im Koffer des Jungen verschwinden ließ. »Du möchtest doch sicher nicht den falschen vorzeigen.« Er wünschte, sie hätten Johnnys Paß in Belle Ombre verbrannt; der Bruder dürfte sich inzwischen ohnehin einen neuen besorgt haben.
    Sie gingen hinaus, hätten die Treppe nehmen können, aber Frank wollte noch einmal den Aufzug sehen. Er wirkte genauso glücklich, wie Tom sich fühlte. Warum wohl?
    »Drück auf E, das steht für Erdgeschoß. «
    Sie gaben die Schlüssel ab, verließen das Hotel und wandten sich nach rechts, Richtung Kurfürstendamm. Frank hatte Augen für alles, selbst für einen Dackel an der Leine. Tom schlug vor, sie sollten in der Pizzeria an der Ecke ein Bier trinken. Dort kauften sie sich Marken, stellten sich an einer Biertheke an und trugen die großen Humpen zum einzigen Tisch mit freien Plätzen, an dem zwei Mädchen Pizza aßen. Sie nickten zum Zeichen, daß Tom und Frank sich dazusetzen konnten.
    »Morgen fahren wir nach Charlottenburg«, sagte Tom. »Ein Viertel mit Museen und einem schönen Park. Danach zum Tiergarten.« Und heute abend? In Berlin war nachts viel los. Tom sah, daß der Junge den Leberfleck auf der Wange abgedeckt hatte. »Gut, weiter so.« Tom zeigte auf seine eigene Wange.
    Kurz nach Mitternacht waren sie im Romy Haag. Frank hatte noch einige Bier mehr getrunken und war nicht mehr nüchtern. Er hatte bei einem Wurfspiel an dem Stand vor einem Biergarten ein Plüschtier gewonnen, und nun trug Tom den kleinen braunen Bären, das Berliner Wappentier. Bei seinem letzten Besuch in der Stadt war Tom schon einmal im Romy Haag gewesen, einer Disco-Bar mit nächtlicher Transvestitenshow, die eher auf Touristen zielte.
    »Warum tanzt du nicht?« fragte er den Jungen. »Fordere doch eine von denen da auf.« Tom meinte die beiden Mädchen, die auf Barhockern vor ihren Drinks saßen, aber zur Tanzfläche schauten. Darüber drehte sich pausenlos eine silbergraue Kugel; Lichtpunkte und Schatten wanderten langsam über die Wände. Die rotierende graue Kugel, nicht größer als ein Wasserball und an sich eher häßlich, wirkte wie ein Relikt aus den Dreißigern, ein Souvenir aus dem Berlin vor der Hitlerzeit, und zog den Blick eigenartig an.
    Frank wand sich, als fehle ihm der Mut, die Mädchen anzusprechen. Er stand mit Tom an der Theke.
    »Das sind keine Huren«, sagte Tom über die laute Musik hinweg.
    Frank ging zur Toilette neben dem Eingang. Als er herauskam, schlenderte er an Tom vorbei auf die Tanzfläche zu. Dort verlor ihn Tom für eine Weile aus den Augen; dann sah er ihn unter der rotierenden Kugel mit einem blonden Mädchen, um ihn ein Dutzend anderer Paare und einige, die allein tanzten. Tom lächelte. Der Junge sprang auf und ab, er hatte Spaß. Die Musik dröhnte pausenlos weiter, doch kurze Zeit später kehrte Frank triumphierend zurück.
    »Ich dachte, wenn ich kein Mädchen auffordere, bin ich ein Feigling für Sie!« sagte er.
    »Nette Mädchen?«
    »O ja, richtig hübsch. Nur daß die eine immer Kaugummi kaute. Ich habe guten Abend gesagt, auf deutsch, und sogar ich liebe dich, doch das kenne ich bloß aus Songs. Sie hat wohl gedacht, ich wäre besoffen. Na, jedenfalls hat sie gelacht!«
    Nüchtern war er bestimmt nicht. Tom stützte ihn am Arm, während der Junge ein Bein über den Barhocker schwang. »Laß das Bier stehen, wenn du willst.«
    Ein Trommelwirbel kündigte die Show an. Drei kräftig gebaute Männer stolzierten in bodenlangen rosaroten, gelben und weißen Rüschenkleidern herum, sie trugen breitkrempige Hüte mit Blumen und riesige nackte Plastikbrüste mit roten Brustwarzen. Begeisterter Beifall. Sie sangen eine Arie aus Madame Butterfly, dann folgten mehrere Sketche, die Tom kaum verstand, von den anderen Zuschauern aber laut beklatscht wurden.
    »Die sehen so witzig aus!« brüllte Frank ihm ins Ohr.
    Zum Schluß sang das muskulöse Trio ein deutsches Lied, Das ist die Berliner Luft; die Männer hoben die Kleider hoch und warfen die Beine in die

Weitere Kostenlose Bücher