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Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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Ich hatte herausgefunden, was Kat herausgefunden hatte, und das freute mich. Aber es gab noch mehr zu überlegen. Was sollte ich als Nächstes tun? Die Polizei war in der Küche. Die Tür stand offen. Ich lauschte ein weiteres Mal und hörte Kriminalkommissarin Pearce sagen: »Jeder könnte angerufen haben, Gloria. Es muss nicht unbedingt Salim gewesen sein. Jeder, der sein Handy gefunden oder es sich geliehen hat.«
    Dann war die Stimme eines anderen Beamten zu hören: »Manchmal rufen Handys auch von ganz allein eine Nummer an … Wenn die Tastatur nicht gesperrt ist.«
    Das Gespräch war nicht sonderlich interessant und da die Erwachsenen gerade abgelenkt waren, schien es der geeignete Moment zu sein, etwas zu tun.
    Ich schlich mich ins Wohnzimmer und nahm den Telefonhörer ab. Etwas, was Mum mir gezeigt hat, ist, wie man bei der Auskunft eine unbekannte Telefonnummer erfragt. Die sechs Ziffern habe ich in meinem Kopf gespeichert. Ich wählte sie, und es meldete sich ein Mann.
    Â»Security-Kommando«, sagte ich. »In London.«
    Er stellte mich zu einer Roboterstimme durch, die eine elfstellige Nummer ansagte. Ich merkte sie mir.
    Dann legte ich auf und wählte die Nummer.
    Erst war Musik zu hören, dann folgte eine Ansage vom Band:
    Â»Willkommen beim Security-Kommando, der Nummer eins unter Londons Sicherheitsdiensten. Wir stellen Ordnungskräfte, Kartenkontrolleure, Fachkräfte für Leibesvisitationen, Personenschützer mit Funksprechgeräten. Ob Sie eine VIP-Party, ein Event mit Feuerwerk, ein Popkonzert oder eine Ausstellung veranstalten, wir erfüllen alle Ihre Anforderungen. Security-Kommando. Ihre Rundumlösung in Sicherheitsfragen. Bitte bleiben Sie am Apparat, wir verbinden Sie mit dem nächsten freien Mitarbeiter.«
    Dann begann die Musik von Neuem. Meine freie Hand schlackerte. Ich wartete immer noch auf den freien Mitarbeiter, als Rashid hereinkam. Ich überlegte, vielleicht besser aufzulegen, aber er lächelte mich an und schwieg. Dann nahm er seine Jacke, die über der Rückenlehne des Sessels gelegen hatte, und verließ das Zimmer. Ich wartete immer noch. Die Ansage vom Band lief ein zweites und dann ein drittes Mal. Mitten in der vierten Wiederholung war plötzlich ein Klicken zu hören und eine echte Frauenstimme sagte: »Hallo. Security-Kommando. Womit kann ich dienen?«
    Â»Hmpf«, sagte ich.
    Â»Hallo?«, wiederholte die Frau.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Â»Hallo?«
    Meine Gedanken sausten im Kreis herum wie im Wirbel eines tropischen Zyklons.
    Â»Hallo? Ist da jemand? Security-Kommando?«
    Ich legte auf.
    Genau in diesem Augenblick hörte ich, wie draußen ein großer Transporter vorfuhr. Türen schlugen zu, Stimmen brüllten, es klingelte. Ein Fernsehteam war angerückt. Tante Gloria und Rashid hatten beschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen.
    Innerhalb von Minuten war unser Haus voller Männer in Jeans und Turnschuhen, die Kabel, Kameras, Lichtstative und Mikrofone hereintrugen. Im Wohnzimmer war wirklich etwas los. Wenn Dad Mum fragt, wie’s auf der Arbeit war, antwortet sie manchmal, bei ihr auf der Station wäre es wie am Piccadilly Circus. Dann stelle ich mir grell aufblitzende Lichter vor, Menschen, die sich anrempeln, und Medikamentenwagen, die wie schnelle Autos durch die Gegend flitzen. Genau so ging es gerade in unserem Wohnzimmer zu. Niemand bemerkte, dass ich neben dem Telefon stand. Kriminalkommissarin Pearce führte ein Gespräch per Handy. Tante Gloria suchte ihr Schminktäschchen. Mum half einem Kameramann, einen Scheinwerfer an die Steckdose hinterm Sofa anzuschließen. Sie hob den Kopf und entdeckte mich.
    Â»Ted. Da bist du ja. Wo ist Kat?«
    Mein Mund öffnete sich, aber es kam kein Wort heraus. Stattdessen sagte der Kameramann: »Reich mal den Stecker rüber, Schätzchen«, wodurch Mum abgelenkt war. Sekundenspäter sagte ein Mann mit schmalem Gesicht und skeptischem Blick: »Wir drehen.« Aber anstatt sich zu drehen, sagte ein anderer: »Licht, Kamera, Action. Take eins.«
    Tante Gloria saß auf dem Sofa, Rashid neben ihr. Sie hatte einen leuchtend orangefarbenen Lippenstift aufgetragen, wodurch ihr Gesicht blasser wirkte als gewöhnlich, und die Haut auf ihren Augendeckeln sah aus wie nach einer Prellung.
    Â»Dies ist ein Aufruf«, begann sie. Sie schluckte und griff nach Rashids Hand. »Ein Aufruf.

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