Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
Vom Netzwerk:
Sternen.

26
    Früh am nächsten Morgen wacht Nanna auf und ihr Blick fällt auf den Tisch voller leerer Dosen und Tüten. Sie hatten es so schön gestern Abend. Wie merkwürdig Vogel gewesen war. Hatte nach allem gefragt, das doch ganz gewöhnlich ist. Wie sie gespielt und gewohnt haben. Manchmal schien es, als wüsste er alles und manchmal, als wüsste er nichts.
    Vorsichtig springt Nanna aus dem Bett. Fride schläft noch. Draußen ist es still und kühl, die Holzplanken fühlen sich feucht und kalt an unter den Füßen. Sie trinkt einen Schluck Wasser, dann schleicht sie sich zu dem dicken Stamm, an dem Vogel gestern Abend hochgeklettert ist. Sie schaut nach oben, aber da ist nichts zu sehen, bis auf eine kleine Plattform aus Zweigen und Ästen, fast wie ein Vogelnest.
    Nanna klettert vorsichtig los, auch der Stamm ist feucht vom Morgentau. Ihre Füße verlieren ein paar Mal den Halt und sie klammert sich fest an den Baum, um nicht abzurutschen. Die Rinde kratzt auf der Haut. Sie sucht etwas, um sich festzuhalten, aber der Stamm sieht ganz glatt aus. Dann entdeckt sie Rillen für die Füße, die in das Holz geschlagen wurden, und klettert weiter.
    Vor ihr öffnen sich der Himmel und der Blick auf die Stadt. Unten in der Bucht kann sie den Hafen sehen und die Festung auf der Halbinsel im Fjord. Am Horizont erkennt Nanna dieflachen Inseln und sie glaubt, weit draußen sogar den Leuchtturm zu erahnen.
    Auf den Zweigen liegt eine alte Matratze, es gibt eine Decke und eine Plane, nur Vogel ist nicht da. Nanna setzt sich hin und schaut nach unten, aber da ist er auch nicht. Außer der Matratze liegen noch eine Schachtel Kekse und eine Flasche Wasser herum, sonst nichts. Sie dreht sich um und spürt etwas Hartes – eine kleine, leichte Holzdose mit schwarzen, geschnitzten Mustern. Nanna zieht sie hervor. Als sie die Dose schüttelt, hört es sich an, als wäre Papier darin. Sie will die Dose gerade aufmachen, als sie sieht, wie Vogel hastig den Stamm heraufklettert. Er setzt sich auf einen Zweig neben dem Nest.
    »Was machst du hier?«, fragt er wütend.
    »Ich wollte nach dir sehen.«
    Vogel heftet den Blick auf die Dose, die Nanna in den Händen hält.
    »Woher hast du die?«
    »Sie lag unter der Matratze, ich habe etwas Hartes gespürt.«
    »Hast du reingeschaut?«
    »Nein.«
    »Gib sie mir – jetzt«, sagt Vogel.
    Nanna reicht ihm die Dose und bleibt sitzen.
    »Es ist schön hier oben«, sagt sie. »Man kann das Meer sehen.«
    »Ja«, sagt Vogel. »Aber du musst runter.«
    »Hast du Schiffe gesehen?«
    »Nein. Geh jetzt runter, bitte«, sagt Vogel,
    Vorsichtig klettert Nanna nach unten. Vogel bleibt oben im Nest sitzen. Unten in der Hütte wird Fride langsam wach.
    »Wo warst du?«, fragt sie verschlafen.
    »In Vogels Nest.«
    »Er hat ein Nest?«
    »Kein richtiges Nest. Mehr einen Ausguck. Aber er war eben ganz komisch, deshalb werden wir jetzt packen und aufbrechen. Los.«
    Fride klettert aus dem Stockbett und sie frühstücken die Reste vom Vorabend. Das Essen schmeckt längst nicht so gut wie gestern. Während Fride sich anzieht, fängt Nanna an aufzuräumen. Nach einer Weile kommt Vogel. Er schaut Nanna nicht an, nur Fride.
    »Wollen wir los in die Läden?«, fragt er.
    »Oh ja. Das will ich«, sagt sie.
    »Das wird lustig«, sagt Nanna und bemüht sich erfolglos, fröhlich zu wirken.
    »Was ist denn?«, fragt Vogel.
    »Wir müssen heute noch aufbrechen.«
    Vogel sieht enttäuscht aus.
    »Ja. Das dachte ich mir. Aber es wird nicht lange dauern. Ihr habt genug Zeit, euch ein paar Spielsachen mitzunehmen«, sagt er
    »Ja. Das machen wir. Wenn Fride sich ein bisschen beeilt.«
    Er ist nett, denkt Nanna. Wie schön, dass er nicht sauer auf mich ist.
    »Ist es weit bis zur Brücke?«, fragt sie.
    »Nein, nicht sehr«, antwortet Vogel, ohne sie anzusehen.
    Sie packen fertig und gehen nach draußen auf die Plattform. Vogel folgt ihnen, die Hände voller Schokoladentafeln.
    »Schaut mal hier«, sagt er. »Für den Fall, dass wir es nicht mehr schaffen, noch Essen zu besorgen.«
    »Tausend Dank«, sagt Nanna.
    Rasch verschwindet Vogel zwischen den Zweigen nach unten und Nanna und Fride folgen ihm. Sie haben sich an das Klettern gewöhnt und kommen die Strickleiter leicht hinunter. Fahrrad und Anhänger sehen von oben so klein aus.
    »Wo müssen wir lang?«, fragt Nanna.
    »Es ist nicht weit bis zum Tor. Da habe ich mein Rad versteckt.«
    »Ein Tor? Sind wir gar nicht im Wald?«, fragt Nanna.
    »Nicht direkt«, sagt

Weitere Kostenlose Bücher