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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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oft in Seitenstraßen ab, sondern hält sich an die große Allee, auf der sie am ersten Tag gekommen sind.
    Nanna schaut in den Himmel. Es kommt ihr vor, als hätte sich ein dünner, schwarzer Schleier über die ganze Stadt gelegt.
    »Was ist das?«, fragt sie.
    »Das waren die Schatten«, sagt Vogel gereizt. »Das habe ich euch doch gesagt. Wir fahren nur so nah ran, bis ihr es gesehen habt.«
    »Brennt es?«, fragt Nanna.
    »Ja. Das machen sie immer.«
    Die Allee macht einen sanften Bogen und als sie um die Kurve kommen, führt die Straße direkt in eine Wand aus schwarzem Rauch, der in den Himmel quillt.
    Vogel hält an.
    »Habt ihr genug gesehen?«
    Nanna starrt in den dicken, schwarzen Rauch. Die Brücke ist abgesperrt. Mit Autos und Bänken, die dazwischen aufgestapelt wurden.
    »Sehen alle Brücken so aus?«
    »Ja.«
    »Wir müssen umkehren«, sagt Nanna und schaut Fride an.
    »Können wir uns nicht vorbeischleichen oder ein Boot nehmen? Nanna kann gut rudern«, sagt Fride.
    »Nein, das geht nicht«, sagt Vogel und lächelt Fride an. »Sie würden uns sehen.«
    Er wendet sein Rad.
    »Kommt, wir müssen hier weg.«
    Sie lassen den Rauch hinter sich und Vogel benutzt wieder Seitenstraßen, bis sie schließlich an einer Kreuzung neben einem Geschäft mit Blumenbildern an der Wand anhalten.
    »Habt ihr jetzt Lust, mein Geheimnis zu sehen?«, fragt er.
    »Ich weiß nicht«, sagt Nanna.
    »Es wird euch gefallen«, sagt Vogel.
    »Ich habe Lust«, sagt Fride und lächelt.
    Sie hat es nicht kapiert, denkt Nanna. Sie hat nicht kapiert, dass Papa vielleicht schon tot ist und es nichts gibt, wohin wir zurückkehren können.
    »O.k.«, sagt Nanna und sie fahren weiter.
    Sie hofft, dass das, was Vogel ihnen zeigen will, so fantastisch ist, wie er behauptet. Dass es wirklich alles verändern kann.
    »Ist es nicht unheimlich, so ganz alleine in der Stadt zu wohnen?«, fragt sie ihn.
    »Nein. Das hier ist meine Stadt. Hier bestimme ich. Ich weiß über alles Bescheid, was hier vor sich geht. Nichts bewegt sich, ohne dass ich es erfahre«, sagt Vogel und lässt den Lenker los.
    »Aber ist es nicht langweilig, wenn so gar nichts passiert?«
    Vogel lächelt.
    »Die Stadt ist nie dieselbe. Sie verändert sich ständig. Allesverändert sich. Stell dir vor, du wachst auf und schaust aus dem Fenster und die Stadt ist fast verschwunden. Begraben unter einer Decke aus Schnee. Stell dir das vor!«
    »Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie sich Schnee anfühlt. Wir haben ihn nur durch das Periskop gesehen«, sagt Nanna.
    »Ich würde gerne mal durch ein Periskop schauen«, sagt Vogel. »Das ist bestimmt spannend.«
    Direkt vor ihnen taucht ein großes, weißes Gebäude mit einer Treppe und hohen Säulen auf.
    »Das kenne ich«, sagt Nanna. »Ich war mal da und habe mir ausgestopfte Tiere angeschaut. Sind wir auf dem Weg ins Museum?«
    »Nein. Nicht ganz.«
    Sie fahren über einen offenen, gepflasterten Platz und weiter durch ein Tor. In der Gartenanlage hinter dem Gebäude erstreckt sich zwischen den Bäumen ein viereckiger Wasserspiegel. Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein riesiges Glashaus, das sich mit Kuppeln und kleinen Spitzen in den Himmel wölbt.
    »Dahin wollen wir«, sagt Vogel stolz.
    Verwundert fährt Nanna auf das Glashaus zu. Von innen sind die großen Fenster beschlagen, sodass es unmöglich ist, reinzuschauen. Am Weg stehen noch mehrere kleinere Glashäuser. Sie halten vor dem Haupteingang. Die Türen sind mit Brettern vernagelt und mit einem gelben Kreis gekennzeichnet.
    »Wir gehen auf der Rückseite rein. Durch den Maschinenraum«, sagt Vogel.
    Fride und Nanna folgen ihm hinter ein graues Nebengebäude zu einer Metalltür. Vogel klettert in ein Loch im Boden und kurz darauf klickt es und er streckt seinen Kopf durch die Tür.
    »Kommt rein.«
    Von der Decke führen große Rohre in eine Maschine, die mitten im Raum steht.
    »Da geht’s lang«, sagt Vogel und zeigt auf einen dunklen Schacht mit einer schmalen Leiter.
    Er nimmt eine Taschenlampe von der Wand und leuchtet nach unten.
    »Es ist nicht weit«, sagt er. »Aber man kann nie ganz sicher sein.«
    Dann verschwindet er in der Dunkelheit und auch Fride und Nanna klettern in den engen Tunnel hinunter. Aus der Luke, die ins Glashaus führt, fällt mattes Licht und als sie wieder nach oben klettern, strömt ihnen ein schwerer, muffiger Geruch entgegen. Die Luft ist unangenehm feucht. Fast wie im Bunker, nur stickiger. Welke Palmen krümmen sich unter dem

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