Der Junge, der Träume schenkte
trieben sie es mit ihnen auf der Rückbank. Die Arbeiter machten sich in den Pausen darüber lustig. Wer die Sitze montierte, behauptete gegenüber den Kollegen augenzwinkernd, er könne die nackten Mädchenhintern bereits riechen.
Eines Tages – nachdem die Geschäftsleitung aus diesem Grund beschlossen hatte, schmalere Rücksitze herzustellen – gelang es einigen der Arbeiter, eine solche Rückbank zu stehlen, und im Schutz einer noch im Bau befindlichen Fabrikhalle versuchten sie herauszufinden, ob Ford damit die neue Mode tatsächlich würde unterbinden können.
Unter ihnen befand sich auch Bill. Er lachte nicht wie die anderen, er stand ein wenig abseits und amüsierte sich allein.
Eine der Arbeiterinnen, die sich darauf eingelassen hatten, alle möglichen Positionen durchzuspielen, eine junge Blondine mit aufreizendem Blick, nahm ihn bei der Hand. »Na los, zeig mir, was du draufhast«, sagte sie laut und lachte.
Die Arbeiter grölten und pfiffen. Bill fühlte sämtliche Blicke brennend auf sich gerichtet, als wäre er in einem Käfig. Die junge Frau zog ihn zur Rückbank. Der Arbeitsanzug spannte über ihrem üppigen Busen. Da verdrehte Bill ihr mit Nachdruck den Arm und zwang sie, sich umzudrehen. Er stieß sie auf den Sitz und hielt sie an den Haaren fest, während er sie von hinten bestieg.
»He, die Stellung heißt ›Pack den Stier bei den Hörnern‹!«, rief einer der Arbeiter.
»Ach was, Stier! Die Kuh!«, verbesserte ihn ein anderer.
Und wieder lachten alle hämisch und stießen schrille Pfiffe aus.
Das Mädchen hingegen war mit einem Mal ernst geworden. Sie spürte ein warmes Ziehen im Bauch, dann ein überwältigendes Gefühl. Als Bill sie losließ, wandte sie sich zu ihm um. »Wie heißt du?«, fragte sie.
»Cochrann.«
In dem Moment trat ein schwächlich und schüchtern wirkender Arbeiter zu den beiden. »Es reicht jetzt, Liv«, sagte er geradezu flehentlich zu dem Mädchen.
»Verzieh dich, Brad«, erwiderte sie, ohne den Blick von Bill abzuwenden.
»Liv ...«
»Es ist aus, Brad«, sagte das Mädchen. »Verschwinde.«
Der Arbeiter rührte sich nicht vom Fleck. Bill wandte sich ihm zu. »Bist du taub?«
Der andere senkte den Blick und räumte schließlich das Feld.
Noch am gleichen Abend wurde Liv Bills Geliebte. Auf einer Wiese schliefen sie miteinander. Beide liebten sie die Gewalt. Kaum stieß Bill mit weniger Nachdruck zu, krallte Liv ihre Nägel so fest in seinen Rücken, dass sie ihn verletzte. Sobald Bill ihr wieder wehtat, löste Liv ihre Umklammerung. Auch sie schien den Geschlechtsakt als puren Schmerz zu begreifen.
Mit Liv verschwanden endlich Bills Albträume. Ruth hörte auf, ihn in der Nacht zu quälen.
Liv ließ sich schlagen, fesseln, beißen. Sie schrie vor Lust, wenn Bill sie so fest an den Haaren packte, dass er sie ihr ausriss. Wenn Bill dann erschöpft war, tat Liv ihm weh. Sie fesselte, schlug, biss ihn. Und Bill lernte vor Schmerz zu schreien und Freude am Schmerz zu empfinden. Sein Zimmer zur Miete gab er auf und zog in Livs Baracke. Und bis zum Silvesterabend dachte er, dass er sie vielleicht sogar liebte. Und er überlegte, die Juwelen zu verkaufen und sich und ihr ein besseres Zuhause zu schaffen. Er spielte sogar mit dem Gedanken, sie zu heiraten.
Am Silvesterabend jedoch eröffnete Liv ihm: »Ich bekomme ein Kind.«
Als Bill an dem Abend mit ihr schlief, schlug er sie mit brutaler Gewalt mitten ins Gesicht. Und er nahm sie so brutal von hinten, dass sie beinahe ohnmächtig wurde. Mitten in der Nacht wachte Bill schweißgebadet auf. Ruth war zu ihm zurückgekehrt. Sie war zurückgekehrt, um ihn zu töten. Leise stand er auf und setzte sich in die Küche, die Ellbogen auf den wackligen Tisch, den Kopf in beide Hände gestützt. Er schloss die Augen und sah das Bild seines Vaters, der den Gürtel aus den Schlaufen der Hose zog und seine Mutter und ihn auspeitschte. Er schlug die Augen auf, entdeckte eine halb volle Flasche Kokos-Whisky, ein drei Wochen in einer Kokosnussschale gereiftes Destillat, und leerte sie in einem Zug. Als ihm der Alkohol zu Kopf stieg, schloss er erneut die Augen. Und wieder sah er seinen betrunkenen Vater vor sich, der ihn und seine Mutter auspeitschte. Doch mit einiger Verzögerung wurde Bill bewusst, dass es nicht mehr sein Vater war, der einen Jungen und eine Frau mit dem Gürtel züchtigte. Er war es, er selbst, und er peitschte Liv und ihr gemeinsames Kind aus. Das Kind, das bald zur Welt kommen würde.
Da öffnete Bill
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