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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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dass Sal geschwiegen hatte, und für all die Jahre im Gefängnis schenkte er ihm das Haus Nummer 320 in der Monroe Street. »Die Hälfte der Mieteinnahmen geht an mich, Sal, und du kümmerst dich auf eigene Kosten um sämtliche Reparaturen und die Instandhaltung«, hatte Vince Salemme gesagt. »In fünfzehn Jahren gehört das Haus dir. Aber du bist noch immer Teil der Familie, vergiss das nicht. Wenn ich dich brauche, springst du.«
    Zuallererst sah Sal sich das Gebäude an. Die Fassade war marode und die Treppe in einem noch schlechteren Zustand. Im Haus wohnten ausschließlich Italiener und Juden. Viele von ihnen waren der amerikanischen Sprache nicht mächtig und lebten zu zehnt zusammengepfercht in zwei Zimmern. Jedes Stockwerk umfasste sieben bis neun Wohnungen, insgesamt gab es fünf Stockwerke sowie ein Kellergeschoss mit acht fensterlosen Zimmern. Im Erdgeschoss befanden sich vier Wohnungen mit Bad. Im Hinterhof, über den sich ein Netz von Wäscheleinen spannte, auf denen ständig Wäsche zum Trocknen hing, befand sich ein fensterloser klotziger Bau, hinter dessen drei Türen aus Metall und Glas sich drei Werkstätten und eine Gemeinschaftstoilette verbargen. Im ersten Raum arbeitete ein Flickschuster, im zweiten ein Tischler, im dritten ein Schlosser. Und alle drei Handwerker lebten mit ihrer ganzen Familie in der Werkstatt. Sal rechnete aus, dass er zweiundfünfzig potenzielle Mieter hatte. Tatsächlich aber hatte jeder Mieter weitere Untermieter, mit denen er die Wohnung teilte.
    Ohne Cettas Wissen vertrieb Sal im Laufe eines Monats die säumigen Mieter aus ihren Wohnungen und verlangte von denen, die untervermieten wollten, einen übertriebenen Aufschlag. Nach einem weiteren Monat hatten so gut wie alle Hausbewohner ihre Untermieter vor die Tür gesetzt. Da warb Sal eine Hand voll italienischer Maurer an mit dem Versprechen, jeweils zwei Familien als Gegenleistung für die Sanierung des Gebäudes eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Zwei Jahre lang würde ihnen die Miete erlassen, danach würden sie für die laufende Instandhaltung des Hauses im Gegenzug dreißig Prozent weniger zahlen. Im darauffolgenden Jahr ließ Sal mit Baumaterial, das aus nächtlichen Diebeszügen stammte, in alle Wohnungen Strom, fließendes Wasser und einen Kanalanschluss legen. Aus den beiden Gemeinschaftsbädern auf jeder Etage gewann er zwei kleine Zimmer und erhöhte auf diese Weise die Zahl der vermietbaren Wohneinheiten von zweiundfünfzig auf siebenundfünfzig.
    Als das Haus schließlich in einem annehmbaren Zustand war, funktionierte Sal eine Wohnung im ersten Stock zu seinem Büro um. Aus dem Laden eines Antiquitätenhändlers ließ er einen Schreibtisch aus Nussbaumholz stehlen und dazu einen Lehnstuhl mit Sitz- und Rückenpolstern aus Leder. Obgleich Sal nicht die Absicht hatte, seine Wohnung in Bensonhurst aufzugeben, stellte er im Hinterzimmer des Büros ein Bett auf. Als Nächstes möblierte er das Apartment gleich nebenan. Ein Zimmer richtete er mit einem Doppelbett ein, die Küche mit einem quadratischen Tisch, drei Stühlen und einer Pritsche und das Wohnzimmer mit einem Teppich, einer Couch und einem Sessel. Als er fertig war, fuhr er zum Kellergeschoss, in dem Tonia und Vito Fraina gelebt hatten.
    »Streicht euch dieses Datum an: achtzehnter Oktober 1917 ...«, hob er stolz an, als er die Tür zum Kellerraum öffnete, verstummte jedoch sogleich jäh.
    Cetta kniete vor Christmas und säuberte ihm den nackten, blutverschmierten Oberkörper.
    »Verdammt, was hast du angestellt, Hosenscheißer?«, fragte Sal.
    Christmas gab keine Antwort. Mit zusammengepressten Lippen, die Hände zu Fäusten geballt, stand er da, während seine Mutter ihm eine Schnittwunde mitten auf der Brust desinfizierte. Ein nicht tiefer, aber deutlich erkennbarer Schnitt.
    »Das haben sie in der Schule mit ihm gemacht«, sagte Cetta.
    Sal spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, als Cetta ihm von dem bulligen Jungen erzählte, der Christmas mit dem Gewerbe seiner Mutter aufgezogen und schließlich mit dem Messer gebrandmarkt hatte.
    »Es ist ein H«, schloss Cetta.
    »Du tust diese schlimmen Dinge doch nicht, oder, Mama?«, wollte Christmas da wissen.
    Noch bevor Cetta ihren Sohn in den Arm nehmen konnte, hatte Sal ihn bei der Hand gepackt und zerrte ihn mit sich aus dem Kellergeschoss. Ohne ein Wort steuerte er wutentbrannt auf Christmas’ Schule zu. »Wer war das?«, fragte er mit finsterem Blick auf die Kinder, die aus ihren

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