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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Rothstein, während er sich Christmas wieder gegenübersetzte. Er beugte sich zu ihm vor und legte ihm die Hand auf das Knie, als spräche er zu einem Freund. »Dein Kumpel ist ein faules Ei, als Verräter geboren. Man sieht es ihm an. Aber das ist deine Sache. Der Punkt ist, dass ihr euch ein bisschen an den Mieten für meine Glücksspielautomaten bedient, hin und wieder bei den Kleinhändlern mein Schutzgeld abkassiert und nun auch noch anfangt, mit meinem Zeug zu dealen ...«
    »Ich deale nicht«, protestierte Christmas vehement.
    »Wenn deine Leute etwas tun, ist das so, als tätest du es selbst, so lautet die Regel«, sagte Rothstein so ruhig wie ein gewöhnlicher Geschäftsmann.
    Christmas zuckte mit keinem Muskel.
    »Neuerdings aber schaffst du mir Probleme an den Hals, die ich nicht haben will.« Urplötzlich schlug Rothstein einen scharfen Ton an. »Du erzählst überall herum, Dasher hätte einen gewissen Metzger kaltgemacht ...«
    »Er war es!«
    »Er war es nicht. Ich habe Happy Maione gefragt, als er bei mir war, um sich zu beschweren.«
    »Er war es!«
    »Dein Metzger interessiert mich einen Scheißdreck!« Rothstein brüllte nun. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, seine Nasenflügel bebten. Mit ausgestrecktem Finger klopfte er Christmas rhythmisch an die Brust, während er mit heiserer, finsterer Stimme weitersprach. »Er interessiert mich einen Scheißdreck. Mich interessiert nur, keinen Stress mit Happy Maione und Frank Abbandando zu bekommen. Ich kann die beiden jederzeit fertigmachen ... aber dann, wenn es mir passt. Ich will keinen Ärger, nur weil ein kleiner Scheißer, den alle für einen meiner Männer halten, durch die Gegend läuft und Blödsinn verzapft. Happy Maione wollte sich von mir die Erlaubnis holen, dich zu erledigen. Happy kennt nämlich die Regeln. Ich hätte ihm mein Okay geben können ...«
    Christmas schlug den Blick nieder.
    »Ein komischer Typ bist du. Eigentlich besitzt du keinen Cent, und trotzdem schwören alle, du hättest immer einen Haufen Geld bei dir«, fuhr Rothstein fort. Er stand auf. »Es heißt, du machst jeden Tag fünfzig Dollar für ein rotznasiges Pickelgesicht locker, das als Verkäufer in einem Kleidergeschäft arbeitet.«
    »Nein, Sir, das war nur ein Mal, und ich hab mir die Kohle gleich wieder zurückgeholt. Das war nur geblufft.«
    Rothstein lächelte. Er wusste nicht, warum, aber der Junge gefiel ihm. Er hätte schwören können, dass er ein Spieler war. »Man hat gesehen, wie du dem Fahrer eines Silver Ghost, von dem alle dachten, es wäre meiner, zehn Dollar Trinkgeld gegeben hast.«
    »Die hab ich mir auch gleich wieder zurückgeholt.«
    Rothstein lachte. »Was bist du, ein Zauberer? Ein Taschenspieler?«
    »Nein, Sir. Aber so schwer ist das nicht«, erklärte Christmas. »Die Leute sehen, was sie sehen wollen.«
    »Also, was bist du dann?«, hakte Rothstein belustigt nach. »Ein Betrüger?«
    »Nein, Sir«, erwiderte Christmas. Und mit einem Mal erinnerte er sich wieder, wer er einmal gewesen war. Er erinnerte sich an sein Leben, das den beiden Jahren der Finsternis vorausgegangen war. Er erinnerte sich an Santo und Pep und Lilliput und an die Salbe gegen Räude. Und er erinnerte sich an Ruth. Und als wären sie niemals erloschen, sondern nur beiseitegeschoben worden, hielt er wieder all seine Träume in Händen. »Ich bin gut darin, mir Geschichten auszudenken.«
    Rothstein sah ihn einen Moment lang prüfend an. »Mit anderen Worten, du verzapfst Blödsinn.«
    »Nein, Sir, ich ...«
    »Jetzt reicht es mir aber mit diesem Sir «, fiel ihm Rothstein entnervt ins Wort. »Also?«
    »Ich kann Geschichten erzählen. Das ist das Einzige, worin ich wirklich gut bin«, sagte Christmas und fand sein Lächeln wieder. Zugleich wusste er, dass er bei einem Blick in den Spiegel auch den Ausdruck in seinen Augen wiedergefunden hätte, der Pep vor vielen Jahren als Erstes an ihm aufgefallen war. »Geschichten, an die die Leute glauben. Die Leute träumen nämlich gern.«
    Rothstein setzte sich wieder hin und lehnte sich zu Christmas vor. Seine Miene schwankte zwischen Ungläubigkeit und Belustigung. Er hätte schwören können, dass dieser Junge ein Spieler war. Und Spielernaturen gefielen ihm, war er selbst doch in erster Linie ein Spieler. »Wieso erzählst du herum, du würdest für mich arbeiten?«
    Christmas grinste. »Ich habe Ihren Namen nicht ein einziges Mal erwähnt, das schwöre ich Ihnen. Ich habe die Leute bloß glauben lassen, dass ich mit

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