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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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seine Stirn schmerzten. Auch der Hals, die Knie und der Bauch.
    »Nein ...«, wiederholte Rothstein ruhig und hielt ihn weiter fest im Blick. »Ist Greenie da?«
    Lepke nickte.
    »Greenie kennt mich«, sagte Christmas.
    »Ich weiß«, gab Rothstein zurück. »Er ist dein Anwalt. Andernfalls wärst du längst tot.«
    Christmas schluckte, und er schmeckte Blut.
    »Nun, Junge, ich warte noch immer«, fuhr Rothstein fort. »Was hast du vorhin gesagt?«
    Christmas wischte sich mit dem Jackenärmel über die Augen. Er betrachtete die dunklen Blutspuren auf dem Stoff. »Es kümmert mich einen Scheiß«, sagte er.
    Rothstein brach in Gelächter aus. Aber sein Lachen hatte nichts Fröhliches. »Raus«, befahl er gleich darauf mit kalter, schneidender Stimme.
    Lepke, Gurrah und der affengesichtige Handlanger verließen den Raum. Rothstein griff nach einem Stuhl und stellte ihn vor Christmas auf. Tief atmete er ein und aus. Er rieb sich die Fingerspitze, die von der Billardkreide blau verfärbt war. »Es kümmert mich einen Scheiß ...«, wiederholte er leise. »Was genau kümmert dich einen Scheiß?«
    »Wollen Sie mir Angst einjagen?«, fragte Christmas und richtete sich herausfordernd weiter auf dem Stuhl auf.
    Rothstein grinste. »Willst du mir etwa weismachen, du hättest keine Angst?«
    »Ich habe keine Angst vor Ihnen«, entgegnete Christmas. So sicher war er sich dessen nicht. Dennoch trieb ihn innerlich irgendetwas dazu, dieses Spiel zu spielen, das Risiko einzugehen, denn er hatte nichts zu verlieren.
    Rothstein musterte ihn eindringlich. »In der Lower East Side und in Brooklyn wimmelt es an jeder Straßenecke nur so von Banden kleiner Gauner wie dir. Um die kümmere ich mich nicht, das wäre so, als finge ich an, Kakerlaken und Ratten zu zählen. New York ist voll davon.«
    Stumm sah Christmas ihn an.
    »Von dir und den Diamond Dogs habe ich vor einigen Jahren zum ersten Mal reden hören«, fuhr Rothstein fort, »weil du herumerzählt hast, du würdest Geschäfte mit mir machen. Und mir entgeht nichts, was mich betrifft.«
    Christmas sah ihm weiter unverwandt ins Gesicht. Er schlug den Blick nicht nieder. Und das, obwohl ihm bewusst war, dass er Rothstein fürchten sollte. Was zum Teufel tust du hier?, fragte er sich selbst. Was zum Teufel versuchst du zu beweisen? Eine Art Sehnsucht nach dem ängstlichen Jungen, der er einst gewesen war, kam in ihm auf. Denn der Christmas, der er einmal gewesen war, hätte eine Heidenangst gehabt, wenn er so blutüberströmt dem mächtigsten Gangsterboss New Yorks gegenübergesessen hätte. Christmas erinnerte sich daran, was Pep zu ihm gesagt hatte: »Für dich ist es noch früh genug, ein Mann zu sein und kein Lump.« Er erinnerte sich daran, wie er sich in den Blicken Joeys und aller Ganoven der Lower East Side gespiegelt und entdeckt hatte, dass er war wie sie: innerlich leer.
    »Haben Sie mich deshalb verprügeln lassen?«, fragte er. Und an seinem frechen Ton hörte er abermals, dass er war wie alle Straßenjungen ohne Zukunft, ohne Träume. Getrieben allein von Wut.
    Rothstein grinste. Seine weißen Zähne blitzten, als wären es Rasierklingen. »Spiel mir nicht den harten Kerl vor, Junge«, sagte er ganz ruhig. »Dazu hast du nicht das Zeug. Du bist weich wie Butter.«
    »Was wollen Sie von mir?« Christmas spannte den Rücken an und machte sich noch größer auf seinem Stuhl.
    »Lepke ist ein harter Kerl«, fuhr Rothstein fort, stand auf und wandte Christmas den Rücken zu. »Gurrah ist ein harter Kerl. »Du bist es nicht.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Christmas erneut und erhob sich.
    »Setz dich hin«, sagte Rothstein, noch immer mit dem Rücken zu ihm, ruhig und resolut.
    Christmas spürte, wie seine Beine dem Befehl gehorchten, obwohl sein Verstand dagegen aufbegehrte. Unvermittelt saß er wieder.
    Als Rothstein den Stuhl knarren hörte, drehte er sich lächelnd um. Er zog ein Taschentuch mit aufgesticktem Monogramm hervor und reichte es ihm. »Wisch dir das Blut ab.«
    Christmas tupfte sich mit dem Tuch über die Stirn, bevor er es auf seine Lippe presste.
    »Was ist, haben wir genug gespielt?«, fragte Rothstein und klopfte ihm auf die Schulter.
    Bei der Berührung hatte Christmas mit einem Mal das Gefühl, in sich zusammenzufallen, als streckte er die Waffen. »Was habe ich getan, Sir?«, fragte er leise, ohne Angriffslust.
    »Seit du dich mit Joey Sticky Fein, diesem kleinen Versager, zusammengetan hast, wirst du mir ein bisschen lästig«, erklärte

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