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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Christmas stehen blieb, wurde auch er langsamer, als hätte ihn der Mut verlassen. »Hör mal ... Diamond«, brachte er stockend hervor, als er vor ihm stand, »warum müssen wir alles kaputt machen? Wir sind doch Freunde ...« Er warf ihm einen hilflosen Blick zu.
    Christmas kam er in diesem Augenblick noch dünner, bleicher, angeschlagener vor.
    »Wir sind doch noch immer Freunde, nicht wahr?«, sagte Joey mit flehendem Unterton und versuchte zu lächeln.
    »Joey ...«
    »Nein, warte, warte«, unterbrach Joey ihn aufgewühlt und versuchte abermals zu lachen. Vor lauter Anspannung bekam er jedoch kaum Luft. »Scheiße noch mal, warte. Ich weiß, was du sagen willst. Ich weiß ... Okay, hör zu, wir lassen das mit den Drogen. Schluss damit. Keine Drogen mehr, zum Teufel mit den Süchtigen, zum Teufel mit Rothstein. Gut so?«
    Christmas seufzte. »Joey ...«
    Joey griff nach seinem Arm. Sein Griff war schwach wie der eines Haltsuchenden, eines Ertrinkenden. »Scheiße, Diamond ...«
    Christmas musterte ihn schweigend.
    »Wir sind doch Partner, du und ich«, sagte Joey flehentlich. »Wir zwei sind die Diamond Dogs ...« Hastig griff er in seine Tasche und zog ein Geldbündel heraus. Er zählte einige Scheine ab und reichte sie Christmas. »Hier hast du deinen Anteil. Genau die Hälfte. Schließlich machen wir gemeinsam Geschäfte, stimmt’s?«
    Regungslos starrte Christmas auf das Geld.
    »Na los, nimm es schon«, forderte ihn Joey auf. Seine ausgestreckte Hand zitterte. Forschend sah er Christmas in die Augen. »Du bist mein einziger Freund.« In seinem Blick lag nun Angst. »Bitte ...«
    »Ich will mein Leben ändern, Joey«, erklärte Christmas ruhig und entschlossen.
    »Ja, okay, ich auch ...«, erwiderte Joey fest. Ein ängstlicher Hoffnungsschimmer lag in seinen Augen. »In Ordnung, verdammt, lass uns vernünftig werden«, lachte er und drückte Christmas die Geldscheine an die Brust. »Aber doch wohl Schritt für Schritt? Lassen wir das ein oder andere kleine Geschäft weiterlaufen. Nur um ein paar Dollar zu machen, bis wir einen passablen Job finden ... Aber Scheiße, Diamond, verlang nicht von mir, dass ich Schnürsenkel verkaufe wie Abe der Trottel. Das kannst nicht einmal du von mir verlangen. Wir müssen einen Job finden, der unseren Fähigkeiten entspricht. Was sagst du dazu?« Dabei klopfte er Christmas auf die Schulter. Dann hakte er sich bei ihm unter und marschierte los. »Wo gehen wir hin? Das müssen wir feiern. Na los, nimm das Geld, Diamond ...«
    »Nein, Joey«, entgegnete Christmas. »Ich hab dir doch gesagt, ich will mein Leben ändern.«
    Joey blickte auf das Geld, bevor er es wieder einsteckte. »Oh, verdammt, ist ja gut. Ich leg’s für dich zur Seite, falls du es dir anders überlegst, in Ordnung? Aber es ist deins.« Mit deutlichem Unbehagen lachte er auf und redete sofort weiter: »Also, wo wollen wir feiern? Ach, ich hab gehört, in der Broome Street hat eine neue Speakeasy -Kneipe aufgemacht, hättest du das gedacht? Ziemliche Kaschemme, im Keller eines Wohnhauses, aber ... was meinst du? So können wir gleich gucken, ob die Glücksspielautomaten haben. Vielleicht springt ein bisschen Kleingeld für uns raus. Die glauben doch wohl nicht, sie könnten Geschäfte machen, ohne die Diamond Dogs zu beteiligen, was?«
    »Joey ...«
    »Komm schon, war doch nur Spaß!«

36
    Los Angeles, 1926
    Als Bill nach einwöchiger Reise in Kalifornien angekommen war, hatte er nicht schlecht gestaunt. Das Land erschien ihm noch schöner, als Liv es ihm immer wieder beschrieben hatte. Was ihn zuallererst beeindruckte, war das Klima. Bill war in New York aufgewachsen, wo die Winter höllisch kalt und die Sommer drückend, feucht und schwül waren. In Kalifornien dagegen herrschte zu jeder Jahreszeit ein luftig-mildes und trockenes Klima. Das Zweite, was ihn beeindruckte, war das Licht. Ganz anders als im düsteren, wolkenverhangenen New York, wo die Hochhäuser die Aussicht verstellten war der Himmel in Kalifornien hoch, wolkenlos blau und nachts von Sternen übersät. Strahlend klar war das Licht. Es leuchtete einen endlos weiten Horizont aus, sowohl zur Pazifikküste als auch zur Sierra Nevada und dem von ihr umgrenzten fruchtbaren Eden-Tal hin. Und der Ozean war von einem kräftigen, einladenden Blau, ganz anders als das schlammige, dunkle Meer, das sich mit den Fluten des East River oder des Hudson vermischte. Ob Rot, Grün oder Blau, in Kalifornien war jede Farbe von lebendiger, intensiver Leuchtkraft,

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