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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Mexikanerin. Eher wie eine Jüdin, ging es Bill zu seinem eigenen Erstaunen durch den Kopf. Eine reiche, mit Pelzen und Schmuck behangene Jüdin. Dünn. Mit kaum erblühten Brüsten. Wie alt mochte sie wohl sein? Achtzehn? Weil sie eine Schlampe ist, wirkt sie wie eine Frau, dachte Bill. Aber sie ist nur ein Mädchen.
    »Mein Armband. Es ist aus Gold, du Hurensohn«, sagte sie, als sie vor ihm stand. »Ich habe es in der Garderobe vergessen, und du hast es gestohlen.«
    »Ich habe es nicht genommen«, widersprach Bill.
    »Gib es mir zurück, und die Angelegenheit ist erledigt«, sagte die Schauspielerin und hielt ihm dabei mahnend einen Finger vor das Gesicht. Sie hatte lange, gepflegte, rot lackierte Fingernägel, und sie trug einen Ring mit einem rechteckigen Smaragdimitat.
    »Ich habe es nicht genommen«, wiederholte Bill. Und wieder dachte er, dass sie bloß ein Mädchen war. Mit langen schwarzen Haaren, die sich in weichen Korkenzieherlocken kringelten.
    »Hurensohn ...«
    »Ich sehe hier nur eine Hure«, fiel Bill ihr ins Wort und spürte, wie die ganze aufgestaute Wut aus ihm herausdrängte.
    »Ich werde es allen erzählen, verdammter Dieb«, sagte die Schauspielerin. »Du bist erledigt. Sie werfen dich raus, und du landest hinter Gittern, du Mistkerl.« Während sie ihn beschimpfte, wich sie einen Schritt zurück.
    Und Bill sah, dass all ihre Sicherheit, all ihr Schlampenhochmut aus ihrem Blick verschwanden. Da lachte er, wie er schon lange nicht mehr gelacht hatte. Und in seinem Lachen klang der altbekannte fröhliche, hohe Ton an, der einmal die Stimme seiner Natur gewesen war.
    »Du landest hinter Gittern!«, rief die Schauspielerin aufgebracht und wich einen weiteren Schritt zurück, weil etwas in Bills Blick sie beunruhigte.
    »Du hast Angst, oder?«, fragte Bill und trat auf sie zu. Sie ist bloß ein Mädchen, dachte er. Er streichelte ihre langen schwarzen Locken und fuhr mit der Hand über ihre hellen Wangen, die gar nicht zu einer Mexikanerin passten. Eher zu einer Jüdin.
    »Fass mich nicht an«, zischte die Schauspielerin verächtlich und versuchte, sich abzuwenden.
    Doch Bill hatte bereits ihr Handgelenk umfasst. Sie ist bloß ein verwöhntes Mädchen, dachte er, während er sie mit finsterem Blick anstarrte. Eine reiche, verwöhnte kleine Judenschlampe. »Ich küsse dich nicht, ich schwör’s«, sagte Bill und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht.
    Stöhnend ging die Schauspielerin zu Boden. Dann versuchte sie, auf allen vieren davonzukriechen.
    »Ich küsse dich nicht ... Ruth«, raunte Bill ihr zu und packte sie am Kragen ihres Pelzmantels.
    Die Schauspielerin versuchte, sich ihm schreiend zu entwinden, und verlor dabei ihren Mantel. Da fasste Bill sie an den schwarzen Haaren und drehte sie zu sich um. Ihre Lippe war aufgeschlagen, in die rote Farbe auf ihren Lippen mischte sich Blut. Aus ihren Augen sprach die blanke Furcht. Bill lachte – voll Freude über den wiederentdeckten strahlend unbeschwerten Ton, der da aus seiner Kehle sprudelte – und schlug erneut mit der Faust zu. Seine Gedanken kreisten um Linda, die fortgegangen war. Um die Tränen, die Feuer in seine einsamen Nächte in Hollywood gebracht hatten. Um den eingebildeten Drehbuchschreiber, der sich ihm überlegen fühlte, weil er eine Schreibmaschine besaß. Um Ruth, um jenes erste Mal, jenes erste Hochgefühl. Um die Nacht, in der er erkannt hatte, wie sich seine ganze Wut und Frustration entladen konnten, bevor sie ihn vergifteten. Da schlug er die Schauspielerin ein weiteres Mal mitten ins Gesicht. Und dann in Unterleib und Magen. Er packte sie an den Haaren, zwang sie aufzustehen und zog sie hinüber zum Bett, in dem sie sich den ganzen Tag mit einem frechen, lasziven Lächeln herumgewälzt hatte, einem Lächeln, das ihr nun vergangen war. Er stieß sie auf die im Scheinwerferlicht wie Seide schimmernden Laken, setzte sich rittlings auf sie, hielt ihre Handgelenke fest und leckte ihr die Tränen ab, die sich mit dem Blut vermischten.
    »Willst du das wirkliche Leben kennenlernen, Schlampe?«, sagte er, während er sie weiter mit Fausthieben und Ohrfeigen traktierte. Unbeschwert lachend griff er in den Ausschnitt ihres Seidenkleides und zerriss es. Auch ihren Büstenhalter zerriss er und schlug ihr, sobald sie Anstalten machte, sich zu wehren, ins Gesicht. Nach vielen Jahren fühlte Bill sich endlich wieder lebendig. Nichts anderes war für ihn von Bedeutung. Er dachte nicht an die Folgen. Er dachte an nichts. Für ihn

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