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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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aus.
    Bill nahm das Kissen und wollte es in Stücke reißen. Dann aber bremste er sich. Der Bühnenbaumeister würde es ihm sonst am nächsten Tag in Rechnung stellen. Und Bill verdiente nicht genug, als dass er es sich hätte erlauben können, ein Kissen zu ersetzen, das nach Shalimar und der Schlampe stank. Er schleuderte es weit von sich und rollte sich auf den Rücken. Mit vor Zorn bebenden Nasenflügeln starrte er auf all die Scheinwerfer, die von der Hallendecke herabhingen und ihn wie elektrische Augen zu durchleuchten schienen.
    Nein, an dem Abend hatte er es nicht eilig, nach Hause zu kommen. Nie wieder würde er es eilig haben, in seine trostlose kleine Wohnung im Palermo zurückzukehren. Denn Linda war ausgezogen. In den vergangenen Monaten hatte sie versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er jedoch war ihr ein ums andere Mal ausgewichen. Er wollte nicht, dass sie in ihm einen Freund fand, dem sie ihr Herz ausschütten konnte. Er wollte, dass sie allein litt, weil genau das ihm Lust bereitete. Selbst als sie eines Abends an seine Tür geklopft und ihn gefragt hatte, ob er eine Flasche Tequila mit ihr trinken wolle, hatte Bill ihr schroff die Tür vor der Nase zugeschlagen. Daraufhin hatte sie sich allein betrunken und war wundervoll gewesen in der Nacht. Linda hatte bitterlicher als sonst geweint und das Licht dabei angelassen. Sie hatte sich durch die Wand hindurch lieben lassen, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Es war eine Nacht voller Leidenschaft gewesen.
    Aber Lindas Verschwinden war nicht der einzige Grund, weshalb Bill vor Wut schier durchzudrehen drohte. Am Morgen hatte sein neuer Nachbar vor der Tür gestanden, ein junger, eingebildeter Typ, einer, der sich für etwas Besseres hielt, weil er als Drehbuchautor arbeitete und eine Schreibmaschine besaß. Und als Bill an der Tür erschienen war, hatte der alberne Drehbuchschreiber, der die Nase so hoch trug, ihn hämisch angegrinst. »Tut mir leid, mein Freund, der Spaß ist vorbei«, hatte er gesagt. Bill hatte nicht gleich begriffen. Immer noch grinsend, hatte der Drehbuchautor da eine Augenbraue hochgezogen und mit dem Kinn auf die Wohnzimmerwand gedeutet. »Deine Gratisvorstellung. Ich habe die Löcher in der Wand entdeckt.« Er hatte gelacht. »Tut mir leid, dass deine Hübsche nicht mehr da ist. Ich habe nicht vor, dir die gleiche Unterhaltung zu bieten, deshalb habe ich die Löcher geschlossen. Aber du hast mir eine gute Idee für eine Geschichte beschert.« Bill hätte ihn am liebsten blutig geprügelt, doch der Drehbuchautor hatte sich einfach auf dem Absatz umgedreht, und wenig später hatte Bill ihn auf der gottverdammten Schreibmaschine herumtippen hören. Er war sicher, dass er über ihn schrieb. Dass er über ihn lachte und ihn der Lächerlichkeit preisgab.
    »Kannst du mich riechen, Bauerntölpel?«, tönte plötzlich eine Stimme durch die Halle.
    Mit schuldbewusster Miene sprang Bill vom Bett auf.
    Die Schauspieler-Schlampe lachte und zeigte ihre makellos weißen Zähne.
    »Keine Angst, ich verrate es niemandem«, sagte sie, während sie die Treppe zur Empore, auf der die Garderoben lagen, hinaufstieg. »Das bleibt unser kleines Geheimnis.« Mit einer behandschuhten Hand am Geländer drehte sie sich zu Bill um und fuhr sich mit der Zunge schnell und spöttisch über die scharlachrot geschminkten Lippen. »Ich habe das Geschenk eines Bewunderers liegen lassen«, erklärte sie, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. »Spiel du nur weiter an deinem besten Stück herum, als wäre ich gar nicht da.« Damit verschwand sie lachend in einer Garderobe.
    Bill lief vor Zorn rot an. Er griff nach dem Hammer und machte sich damit an zwei Stützgestellen zu schaffen. Er schlug die Bretter ab, an denen sie festgenagelt waren, und stapelte sie ordentlich auf. Dann hob er die Pappwand auf und trug sie zu den anderen in die Ecke.
    »Hast du es genommen?«, erklang kurz darauf die strenge Stimme der Schauspielerin.
    Bill wandte ihr den Blick zu. Unter ihrem offen stehenden hellen Pelzmantel von minderer Qualität kam ein figurbetontes purpurrotes Seidenkleid zum Vorschein.
    »Hast du es genommen?«, fragte die Schauspielerin erneut, während sie entschlossenen Schrittes die Empore entlang zur Treppe lief.
    »Was?«, fragte Bill, ohne sich zu rühren.
    »Mieser Lump«, beschimpfte sie ihn und eilte auf Bill zu, dabei hallten ihre Schritte durch das leere Gebäude.
    Sie war Mexikanerin, aber ihre Haut war hell. Sie sah gar nicht aus wie eine

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