Der Junge, der Träume schenkte
fing an zu weinen.
Aus dem Wagen stiegen Lepke Buchalter und Gurrah Shapiro. Und hinter ihnen ein Mann mit einem Filzhut auf dem Kopf. Der Fahrer blieb am Steuer sitzen.
»Joey, Joey ...«, sagte Gurrah in singendem Tonfall. »Was machst du da? Heulst du etwa wie ein kleines Mädchen?«
Joey schaffte es nicht, den Blick zu heben.
»Wo ist das Geld?«, fragte Gurrah freundlich.
Joey schüttelte den Kopf und gab keine Antwort. Sein Gesicht war tränenüberströmt, er schniefte.
Gurrah beugte sich zu ihm hinunter. Seine Kniegelenke knirschten. Er zog ein Taschentuch aus seiner Brusttasche, hob Joeys Gesicht am Kinn an und hielt ihm das Tuch vor die Nase. »Schnäuz dich«, sagte er.
Joey weinte.
»Schnäuz dich, Joey«, sagte Gurrah noch einmal in weniger sanftem Ton.
Joey putzte sich die Nase.
»Kräftiger.«
Joey gehorchte.
»Gut so«, sagte Gurrah daraufhin. »Also, wo hast du das Geld hingetan? Lansky hätte es gern zurück.«
Joey griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Bündel Geldscheine hervor.
»Ist das auch alles?«, fragte Gurrah, ohne das Geld entgegenzunehmen.
Joey nickte.
»Siehst du, wie einfach das war?«, lachte Gurrah. »Fühlst du dich erleichtert? Na? Sei ehrlich. Du hast dich von einer Gewissenslast befreit, oder?« Er packte ihn am Arm. »Komm mit, Joey. Gib Lansky das Geld. Ist doch netter, wenn du es ihm selbst zurückgibst, findest du nicht?« Er zog ihn mit sich zu dem Mann mit dem Filzhut. »Lansky, sieh dir den Jungen an. Er bringt es dir selbst. Zwar hat er es dir geklaut, schon richtig, aber jetzt gibt er es dir zurück. Er ist ein guter Junge«, sagte er, als sie vor Lansky standen.
Der Mann mit dem Filzhut sah Joey ausdruckslos an, die Hände in den Hosentaschen.
Joey hielt ihm die Geldscheine hin.
»Steck es wieder an seinen Platz«, sagte er, ohne sich zu rühren.
Joey steckte ihm das Geld in die Jackentasche.
Lansky musterte ihn. »Du hast dir die Hose zerrissen.«
Da brach Joey erneut in Tränen aus.
»Entschuldige, Lansky«, sagte Gurrah und zog ihm das Taschentuch aus der Brusttasche. »Meins ist schon benutzt.« Dann hakte er Joey unter und führte ihn zu einem Pfahl des Viadukts. »Schnäuz dich«, sagte er und hielt ihm das Taschentuch vor die Nase.
Joey versuchte vergebens, sich Gurrahs Griff zu entwinden. Als er sich umdrehte, sah er, dass Lepke gerade ins Auto steigen wollte. »Ich bin ein Freund von Christmas!«, schrie er unter Tränen. »Lepke, ich bin ein Freund von Christmas!«
Lepke Buchalter wandte sich zu ihm um und schenkte ihm ein offenes, beruhigendes Lächeln. »Ich weiß, Joey. Mach dir keine Sorgen.« Daraufhin stieg er ein und zog die Tür hinter sich zu.
Auch Lansky schloss seine Tür.
»Schnäuz dich«, sagte Gurrah erneut.
Joey putzte sich die Nase.
»Kräftiger.«
Und Joey gehorchte.
»Hol tief Luft«, sagte Gurrah sanft. »Mach den Mund auf, hol tief Luft und schnäuz dich.«
Joey öffnete den Mund. Da stopfte Gurrah ihm Lanskys Taschentuch hinein und schob dann auch noch sein eigenes hinterher. Überrumpelt riss Joey die Augen auf. Er wehrte sich und bemerkte zu spät, dass einer der Typen, die ihn zu Fuß verfolgt hatten, ihm einen Draht um den Hals legte und ihn zuzog. Joey trat um sich, versuchte zu schreien, griff nach dem Draht. Doch je mehr er sich wehrte, desto rascher ließen seine Kräfte nach. Und kurz darauf verdrehten sich seine Augen, auf seiner Hose breitete sich ein Urinfleck aus.
Gurrah schaute zu. »Ist ja widerlich«, bemerkte er schließlich. Er wandte sich Joeys Mörder zu: »Verdreck den East River nicht mit diesem Stück Scheiße. Wirf ihn auf den Müll.« Dann lief er zum Wagen, der sich sofort mit ausgeschalteten Scheinwerfern in Bewegung setzte.
»Das ist also das letzte Mal«, stellte Christmas fest und zog Maria an sich.
Sie räkelte sich träge, bevor sie sich an Christmas’ Brust schmiegte. »Ja ...«
»Dieses Bett wird mir fehlen«, gestand er, während er ihre langen schwarzen Locken streichelte.
»Wirklich?«
»Mein Bett zu Hause ist nicht so bequem.«
Maria lachte. »Frechdachs!« Sie zwickte ihn in den Arm. »Mir wirst du fehlen«, sagte sie dann.
Christmas glitt unter die Bettdecke und küsste sie zwischen die Brüste. »Lädst du mich zur Hochzeit ein?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«, wollte Christmas wissen, als er wieder in das Kissen sank.
Maria zerzauste ihm die blonde Stirnlocke und sah ihm schweigend in die Augen. »Deshalb.«
»Wie, deshalb?«
»Ramon würde
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