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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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in der nur der schwere Atem der beiden Kampfhähne zu hören war. »Und jetzt erklärt ihr mir, worum es hier geht«, sagte er dann.
    »Er war bei N. Y. Broadcast«, zischte Karl.
    Cyril sah Christmas an. »Stimmt das?«, fragte er ruhig.
    Christmas schwieg.
    Karl lächelte bitter. »Wie viel haben sie dir geboten?«
    »Mehr als das, wofür du mich verkaufen wolltest«, antwortete Christmas kalt.
    »Red keinen Unsinn.« Karl nahm Cyril bei den Schultern und drehte ihn zu Christmas um. »Sieh dir deinen Jungen an. Sieh ihn dir an! Er hat sich schon in einen Hai verwandelt. Aber was konnten wir schon erwarten von einem, der nur mit Kriminellen verkehrt? Sieh ihn dir an. Er haut ab. Sag’s ihm, na los, sag ihm, dass du abhaust, Christmas!«
    »Stimmt das?«, fragte Cyril erneut.
    Christmas schaute ihn schweigend an. Dann fragte er ihn: »Glaubst du ihm?«
    Cyril musterte ihn. »Ich glaube, was ich sehe.«
    »Und was siehst du?«
    »Ich sehe, dass es noch fünf Minuten bis zur Sendung sind. Ich sehe, dass du andauernd wie ein Todeskandidat auf die Uhr starrst«, erklärte Cyril. »Aber vor allem sehe ich zwei Gockel, die sich im Hühnerstall die Federn ausrupfen und den Mund ganz schön voll nehmen. Doch für all ihre Beschuldigungen scheinen sie keinen Beweis zu haben.«
    Christmas blickte hinüber zu Karl. Er stand auf und stellte sich dicht vor ihn. So dicht, dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. »Auch du warst bei N. Y. Broadcast ...«
    »Nein«, widersprach Karl.
    »Noch vor mir, bevor sie mich eingeladen haben ...«
    »Nein.«
    »Du wolltest ihnen die Sendung verkaufen. Und Howe, diesem Arschloch, hast du gesagt, du würdest mich dazu bringen, für ein paar lausige Dollar zu arbeiten.«
    Wortlos sah Karl ihn an, ohne den Blick zu senken, ohne auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Ohne eine Spur von Nachgiebigkeit oder Unsicherheit. »Die haben dich reingelegt«, sagte er schließlich mit fester Stimme. »Ich habe nichts von alldem getan.«
    Christmas blickte Karl forschend ins Gesicht, beeindruckt von so viel Sicherheit und zugleich verwirrt von seinen eigenen widersprüchlichen Gefühlen. Einerseits klang noch die Wut über den Verrat nach, andererseits hatte er den Eindruck, dass Karl die Wahrheit sagte. Da war einerseits der tagelang gehegte Groll, andererseits eine neue, mit Scham vermischte Wut darüber, von Karl ertappt worden zu sein. Und während er, ohne ein Wort herauszubekommen, mit den widerstreitenden Gefühlen in seinem Inneren rang und dabei Karls Blick erwiderte, der ebenso vorwurfsvoll und verachtend, anklagend und verurteilend war wie sein eigener, entstand am Eingang der Wohnung ein lauter Tumult.
    »Wer seid ihr?«, erklang Sister Bessies misstrauische und verängstigte Stimme zu ihnen herein.
    »Christmas wartet auf mich, lassen Sie mich vorbei, es ist schon spät!«
    Undeutlich war eine weitere Stimme zu hören.
    »Was ist denn da los?«, fragte Cyril und ging zur Tür.
    In diesem Augenblick betraten ein Junge und ein mit einer Kapuze vermummter Mann in einem dunklen Kaschmirmantel das Zimmer. Ihnen folgte Sister Bessie.
    »Nimm mir dieses Ding ab. Sonst ersticke ich noch«, sagte der Vermummte.
    Cyril machte große Augen.
    »Kennst du die zwei, Christmas?«, wollte Sister Bessie wissen.
    »Nimm ihm die Kapuze ab, Santo«, sagte er, ohne den Blick von Karl abzuwenden.
    Santo schlug die Kapuze des Mannes zurück.
    »Das gibts doch nicht. Das ist ja Fred Astaire!«, rief Sister Bessie aus.
    »Es war amüsant, aber ich habe keine Luft mehr bekommen«, erklärte Fred Astaire, während er sich mit der Hand durchs Haar fuhr. Dann bemerkte er Christmas und Karl, die einander nach wie vor schweigend anstarrten, die Gesichter nicht mehr als eine Handbreit voneinander entfernt. »Was ist denn das? Ein Duell?«, fragte er lachend.
    Weder Christmas noch Karl antworteten. Sie wandten nicht einmal den Kopf. Wie zwei Kampfhähne standen sie sich weiter gegenüber.
    »Was ist nun?«, sagte Karl barsch. »Hast du dich verkauft?«
    »Ich habe ihnen abgesagt. Gestern«, gab Christmas mit fester Stimme zurück.
    Da stieß Cyril lang und hörbar die Luft aus, als hätte er bis zu dem Moment den Atem angehalten. »Entschuldigt, wenn ich störe«, schaltete er sich nüchtern ein, »aber falls ihr es vergessen habt, wir haben ein Programm zu senden, es geht in vierzig Sekunden los. Übrigens, Fred Astaire ist zu uns gekommen.« Kopfschüttelnd trat er an die Gerätschaften heran und hantierte daran herum.

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