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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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entgegen, als Erstes dem Herausgeber der New York Amsterdam News , danach den anderen. Den kürzesten Strohhalm zog ausgerechnet der Herausgeber der Wochenzeitung New York Amsterdam News , die in Harlem gedruckt wurde.
    »Schön, also abgemacht«, sagte Rothstein zum Abschied. »Christmas weiß nichts von unserer netten Plauderei, kommt also nicht auf dumme Gedanken. Er ist ein guter Junge mit einer Menge Talent.« Er musterte sie wieder, einen nach dem anderen. »Außerdem steht er unter meinem persönlichen Schutz«, schloss er und gab seinen Männern ein Zeichen, die Zeitungsmänner hinauszuwerfen. »Und jetzt verschwindet, ihr Schmierfinken.«
    Am Tag darauf blieb der Herausgeber der New York Amsterdam News vor dem großen Haus in der 125th Street stehen und blickte hinauf zu Harlems Uhr, die immer auf halb acht stand. Er schmunzelte und stieg in den fünften Stock hinauf, von wo, wie er und sämtliche Bewohner des schwarzen Ghettos wussten, Diamond Dogs gesendet wurde. Ihm war von Anfang an klar gewesen, welchen Strohhalm er ziehen sollte: den mit der winzigen, kaum sichtbaren roten Markierung. Rothstein riskierte nämlich nicht gern etwas. Und ebenso ungern verlor er eine Wette. In Sister Bessies Wohnung angekommen, stellte der Herausgeber der New York Amsterdam News sich Christmas vor und erzählte ihm von Rothstein.
    Zwei Tage später brachten sämtliche New Yorker Zeitungen einen detaillierten Bericht über die Sendung. Im Schlupfloch der Diamond Dogs , titelten fast alle großen Zeitungen auf der ersten Seite. Die Herausgeber zeichneten persönlich für die Artikel verantwortlich, um sich wie Schauspieler oder berühmte Musiker bei mondänen Anlässen zu brüsten, so privilegiert fühlten sie sich. Und an diesem Tag brachten die Zeitungsschreier ihre Exemplare so schnell an den Mann wie nie zuvor.
    Und die Einschaltquoten von Diamond Dogs stiegen noch einmal steil in die Höhe. Das Aufsehen war so groß, dass selbst überregionale Zeitungen die Meldung aufgriffen. Sie verbreitete sich von Küste zu Küste bis nach Los Angeles, wo sie auch Hollywoods Stars und Produzenten zu Ohren kam.
    »Zu viel Werbung«, sagte Karl zehn Tage später.
    »Erst machst du einen Riesenaufstand mit diesen ganzen Reklametafeln, und jetzt beschwerst du dich über zu viel Werbung?«, brummte Cyril.
    »Wir provozieren die Behörden«, erwiderte Karl. »Lange können sie nicht mehr so tun, als wäre nichts. Sie werden uns kriegen.«
    »Sollen sie ruhig kommen und uns holen«, sagte Cyril. »Sie haben die Rechnung ohne meine Nigger gemacht.«
    »Er hat recht, Cyril«, erklärte Christmas.
    Karl sah ihn an. Und Christmas erwiderte schweigend seinen Blick.
    Seit dem Tag, an dem sie aneinandergeraten waren, zweifelte jeder von ihnen am anderen. Die Kluft, die zwischen ihnen entstanden war, schien nicht mehr zu überbrücken zu sein. Die Last des Verdachts war zu groß.
    »Du hast recht, Karl«, sagte Christmas noch einmal. »Du hattest schon immer recht.«
    Noch immer sah Karl ihn an.
    »Es tut mir leid«, sagte Christmas da.
    Karls Blick entspannte sich unmerklich. »Mir auch.« Er ging auf Christmas zu und reichte ihm die Hand.
    Christmas schlug ein und zog Karl an sich. Dann umarmte er ihn.
    »Weiße Idioten«, brummte Cyril lächelnd.
    »Was für eine ergreifende Szene!«, spöttelte Sister Bessie, die gerade ins Zimmer kam. »Der Herausgeber der Amsterdam ist hier. Kann ich ihn reinlassen, oder soll ich warten, bis ihr wieder angezogen seid, Mädels?«
    »Scheiße, was will der denn schon wieder?«, murmelte Cyril.
    »Darf ich?«, fragte der Herausgeber, der in diesem Moment den Kopf ins Zimmer steckte. Er wedelte mit einem Umschlag. »Der ist für Christmas. Er kam heute Morgen in der Redaktion an. Er war an mich adressiert, enthält aber einen verschlossenen Brief für Christmas. Man bittet mich, ihn dir zu überbringen.«
    »Und wenn du ihn überbringst, gibst du zu, dass du unser Versteck kennst, du Saftsack«, bemerkte Cyril aufgebracht.
    »Reiß dich zusammen!«, rief Sister Bessie ärgerlich.
    »Er hat recht«, sagte da Karl. »Wir sind entdeckt.«
    »Tut mir leid«, erwiderte der Herausgeber der New York Amsterdam News . »Der Brief kommt aus Los Angeles ...«
    Christmas wurde blass, riss ihm den Umschlag aus der Hand und öffnete ihn hastig. Ruth, war sein einziger Gedanke. Ruth. Er zog das zweifach gefaltete Schreiben heraus und suchte mit klopfendem Herzen nach der Unterschrift. Enttäuscht ließ er den Brief sinken.

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