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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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ihnen geben. Mithilfe des Punishers.
    Das Mädchen war wie eine Krankenschwester gekleidet. Sie ging im Saal umher und kontrollierte die chirurgischen Instrumente. Scharfe Skalpelle, Zangen, Sägen. Der Punisher kam herein. Das Mädchen spielte die Erschrockene, und sie spielte sie so schlecht wie alle anderen vor ihr. Bis der Punisher zuschlug. Von da an spielte sie gut.
    Bill war high. In solchen Momenten lag das Leben in seiner Hand. Er fühlte sich wie auf einem Berggipfel, wo die Luft rein und reich an Sauerstoff war. Er atmete befreit durch, und von Angst war in seiner dunklen Seele keine Spur mehr. Er war der Herrscher der Welt. Und bald würde die Schlampe seinen Schwanz zu spüren bekommen. Doch erst, nachdem sie mit einer gehörigen Portion Schläge und Tritte gefügig gemacht worden war. Er würde ihr zur Freude seiner Fans die Tränen ablecken. Schließlich war er der Punisher.
    Anstatt zu weinen, griff das Mädchen aber nach etwas Glänzendem und stach ihm damit in den Arm. Dank des Kokains spürte Bill keinen Schmerz. Bei einem Blick auf seinen Arm jedoch sah er, dass sich auf dem Arztkittel, in den Arty ihn gesteckt hatte, ein roter Fleck ausbreitete. Blut. Und das Mädchen hielt ein Skalpell in der Hand, stach erneut zu und schlitzte ihm in Brusthöhe den Kittel auf. Wieder strömte Blut aus der Wunde. Bill machte einen Satz nach hinten. Ungläubig sah er das Mädchen an. Sie war nicht sein Typ.
    »Zoom die Wunde heran«, raunte Arty dem Kameramann zu, dann verfolgte er wieder die Szene. Er hatte eine stämmige, muskulöse junge Frau ausgesucht. Sie mochte nicht sehr sinnlich wirken, konnte dem Punisher jedoch besser als die anderen Paroli bieten. Und genau darauf kam es Arty diesmal an.
    Bill fasste sich an den Arm. Er riss den Kittel auf und sah sich die Wunde an. Ein sauberer, tiefer Schnitt. Die Brustwunde hingegen war nur oberflächlich, aber sie blutete heftig. Bill fühlte nicht den geringsten Schmerz. Das Kokain machte ihn stark. Unbesiegbar. Er lachte, bevor er dem Mädchen einen Stoß mit dem stählernen OP-Tisch versetzte, dass sie zu taumeln begann. Sofort stürzte er sich auf sie und entriss ihr die Waffe. Während er ihr das Skalpell an den Hals hielt, sah er ihr fest in die Augen. Mit einer schnellen Bewegung trennte er den Knopf über ihrer Brust ab. Das Mädchen drehte sich weg und entwand sich. Die Klinge traf sie am Rücken. Schreiend sackte sie auf die Knie. Bill stürzte sich auf sie. Mit vorgestreckter Hand versuchte sie, sich zu verteidigen. Das Skalpell durchstach ihre Handfläche. Wie bei Bills Vater.
    Daraufhin stieß Bill ihr das Messer in den Bauch, nur so weit, dass sich ein roter Fleck auf dem Kittel des Mädchens bildete. Bill hatte vor nichts und niemandem mehr Angst. Er war nun ein Gott. Er war der Punisher. Er zerriss ihren Kittel, packte sie am Hals, drückte sie auf den OP-Tisch und ritzte ihr sadistisch langsam die Haut ein. Schließlich warf er das Skalpell weg und nahm das Mädchen mit unbändiger Wut.
    »Halt auf das Blut«, sagte Arty zum Kameramann.
    Genau das würde er Hollywood geben: Blut. Denn Arty war sicher, wenn Hollywood erst einmal Blut gesehen hatte, würde es auf Sex verzichten können.
    Eines Tages vielleicht würde es sich am Blut sattgesehen haben und den Tod fordern. Doch bis es dazu kam, hoffte Arty, bereits genug Geld angehäuft und sich aus dem Geschäft zurückgezogen zu haben.

62
    Los Angeles, 1928
    Als Christmas in Los Angeles ankam, wartete bereits ein Wagen mit Chauffeur auf ihn. Der Fahrer nahm ihm den Koffer ab und fuhr ihn zu einer kleinen Villa mit Swimmingpool am Sunset Boulevard, die, so erklärte er ihm, Mister Mayers Gästen zur Verfügung stand. Er stellte ihn dem hispanischen Hausmädchen vor, das sich, wie er sagte, um jeden seiner Wünsche kümmern würde, trug den Koffer hinauf in ein großes Schlafzimmer im ersten Stock und teilte Christmas mit, in der Garage des Hauses stehe ein funkelnagelneues Oakland Sport Cabriolet für ihn bereit. Schließlich verabredete der Chauffeur mit ihm, ihn am späten Nachmittag abzuholen und zu den Studios zu fahren.
    Kaum war Christmas allein, ließ er vom Schlafzimmerfenster aus den Blick über das Gartentor hinausschweifen. Hier also lebst du, dachte er. Er ging hinunter, teilte dem Hausmädchen mit, er werde nicht zu Mittag essen, und erkundigte sich dann: »Wie komme ich nach Holmby Hills?«
    Es war ein seltsames Gefühl gewesen, in die Grand Central Station zurückzukehren. Und noch

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