Der Junge, der Träume schenkte
mal passieren.«
Und doch passierte es wieder.
»Soll ich so tun als ob, Arty?«, fragte Bill.
Betrübt schüttelte der Regisseur den Kopf. »Nein, noch ein Fiasko können wir uns nicht leisten.«
In der Nacht tat Bill kein Auge zu. Wut und Frust waren einer tiefen Verunsicherung gewichen. Er setzte sich in seinen LaSalle und raste über die Küstenstraße. Doch selbst sein Fuß auf dem Gaspedal ging nicht mehr bis zum Äußersten. Er fuhr schnell, aber nicht so schnell, wie er früher einmal gefahren war. Auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Diego hielt er an. Er stieg aus und ging hinunter zum Strand. Das Meeresrauschen beruhigte ihn für eine Weile. Als er sich schließlich umdrehte, bemerkte er ein Polizeiblaulicht neben seinem LaSalle. Instinktiv wollte er die Flucht ergreifen. Doch der Polizist hatte den Handscheinwerfer auf den Strand gerichtet und leuchtete Bill geradewegs an. Das beruhigende Meeresrauschen verwandelte sich in das Surren der Filmkamera, der Handscheinwerfer in einen Tausend-Watt-Scheinwerfer. Und Bill wusste, hinter dem Scheinwerfer stand ein Polizist.
Jetzt haben sie mich, dachte er. Um Hände und Füße spürte er die Gurte des elektrischen Stuhls.
»Sir ... Sir, geht es Ihnen gut?«, fragte jemand.
Bill wandte sich um. Der Polizist war zu ihm an den Strand gekommen. Bill rann der Schweiß über das Gesicht. »Ja«, sagte er. »Nein ...«
»Geht es Ihnen nicht gut?«
»Nein ... es wird schon besser ... es wird schon besser ...«
»Gehört der Wagen dort Ihnen?«
»Ja ...«
»Würden Sie mir bitte zur Straße folgen und mir Führerschein und Fahrzeugpapiere zeigen?«
Mühsam kämpfte Bill sich durch den Sand. Seine Füße versanken. Wie in Treibsand, dachte er. Außerdem bekam er keine Luft.
»Kevin Maddox ... gut, alles in Ordnung«, murmelte der Polizist, als er den Führerschein kontrollierte. »Sind Sie sicher, dass es Ihnen wieder gut geht?«
»Ja ...«
»Fahren Sie vorsichtig«, sagte der Polizist, während er zu seinem Kollegen in den Streifenwagen stieg. Er wandte Bill noch einmal den Blick zu. »Schönes Auto«, sagte er. Dann verschwand der Streifenwagen in der Nacht, und alles war wieder dunkel.
Und in der Dunkelheit packte Bill die Angst, sich erneut zu verlieren. Eilig sprang er in den LaSalle und schaltete die Scheinwerfer ein. Er fuhr zurück zu Artys Haus, kroch unter die Bettdecke und lag die ganze Nacht bei brennendem Licht, zusammengekauert wie ein Fötus und bibbernd vor Angst, da.
»Du siehst grauenhaft aus, Bill«, bemerkte Arty am nächsten Morgen beim Frühstück zu ihm.
Bills Augen waren eingefallen. Er war bleich, und die Hand, mit der er die Kaffeetasse hielt, zitterte.
»Ich habe die Lösung«, sagte Arty. Er zog ein dunkles Glasfläschchen aus seiner Hosentasche, stellte es auf den Tisch und schob es zu Bill hinüber. »Kokain«, erklärte er.
In den darauffolgenden Monaten drehten Arty und Bill zwei Punisher-Filme. Das Kokain zeigte die gewünschte Wirkung. Bill war begeistert und brachte es zu Höchstleistungen. Sogar außerhalb des Sets gelang es ihm, mit Frauen zu schlafen. »Ich fühle mich wie neugeboren«, sagte er.
Arty jedoch sah, dass er nicht mehr auf die Droge verzichten konnte, dass er sie immer häufiger in immer höheren Dosen konsumierte, dass er sie nicht mehr nur am Set, sondern zum Leben brauchte. Daneben bemerkte Arty noch eine weitere negative Wirkung des Kokains: Bills Wahnvorstellungen verschlimmerten sich zusehends. Die Tage des Punishers waren gezählt. Aus diesem Grund beschloss Arty, noch einmal alles aus ihm herauszuholen, denn schon bald würde Bill nicht mehr zu gebrauchen sein. Bereits jetzt war er ein Wrack. Arty fragte sich, wie viele Filme sie wohl noch drehen konnten. Wenige.
Zum Glück bekam Bill in seinem Zustand gar nicht mit, dass Arty sich einen weitaus höheren Anteil als die vereinbarten siebzig Prozent einsteckte. Für Bill ließ er nur noch Krümel übrig. Und das Kokain. Schon bald aber würde er ihn entsorgen müssen.
Zu allem Überfluss begannen die Kunden, sich allmählich zu langweilen. Der Punisher überraschte sie nicht mehr. Und die Einnahmen litten darunter. Hollywoods verdorbene reiche Männer verlangte es nach einem neuen Kitzel.
Wir brauchen noch mehr, sagte Arty eines Morgens zu sich selbst.
Da ließ er einen neuen Set aufbauen. Einen Operationssaal mit allem Drum und Dran, weiß, blitzsauber, funkelndes Aluminium. Sie wollten mehr? Sie sollten mehr bekommen. Arty würde es
Weitere Kostenlose Bücher