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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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dass niemand sie hörte, denn sie wollte die Freude ganz für sich allein haben.
    Und dann endlich tauchte Coney Island vor ihr auf.
    »Wirf«, sagte Sal zu ihr und hielt ihr einige Stoffbälle hin, mit denen sie auf eine Pyramide aus Blechdosen zielen sollte. »Steig ein«, sagte er zu ihr und schob sie zu einem der Geisterbahnwaggons. »Der Blödsinn dient nur dazu, sich im Dunkeln zu küssen«, sagte er zu ihr und führte sie von einem Zelt fort, das die Aufschrift Liebestunnel trug. »Iss«, sagte er zu ihr und reichte ihr einen riesigen Bausch Zuckerwatte. Und nach einer Stunde fragte er: »Hast du dich amüsiert?«
    Cetta war wie berauscht. Die Überfahrt mit der Fähre, während der sie die ganze Zeit draußen an der Reling gestanden hatte und nicht eingesperrt in einem Frachtraum gewesen war, der Strand, der in Sicht kam, sobald das offene Meer erreicht war, die Menschenmenge auf der Strandpromenade rings um die Lokale, in denen Musikkapellen spielten, die Strandbäder, die bunten elektrischen Straßenbahnen, die Musik, die aus den ufernahen Lokalen herüberschallte, die Geschäfte, die gestreifte Bademoden verkauften, der Eingang zum Jahrmarkt. In der Hand trug sie einen Stoffbären, den Sal beim Scheibenschießen gewonnen hatte. Ihre Taschen waren vollgestopft mit Bonbons, Gummidrops, Lakritzschnüren, Lutscher, Zuckerstangen und kandierten Früchten.
    »Was ist nun, hast du dich amüsiert?«, fragte Sal noch einmal.
    Geistesabwesend sah Cetta ihn an, bevor sie den Blick zur Achterbahn schweifen ließ und wortlos mit dem Finger darauf zeigte.
    Sal stutzte einen Moment, dann zog er sie am Arm zur Kasse, kaufte eine Fahrkarte und gab sie ihr. Auf der Fahrkarte stand geschrieben: Die größte Achterbahn der Welt . Die Menschen in den Waggons kreischten.
    »Alleine habe ich Angst«, sagte Cetta.
    Sal sah hinauf zur Achterbahn. Wütend trat er gegen eine Straßenlaterne, drehte sich um, kehrte zurück zur Kasse, drängte ein Pärchen zur Seite und kaufte eine zweite Fahrkarte. Dann setzte er sich neben Cetta in den Waggon.
    Cetta lächelte, während sie hinauffuhren. Als sie jedoch kurz vor dem ersten Abgrund angelangt waren, bereute sie es bitter, eingestiegen zu sein. Sie riss die Augen auf, spürte, wie ihr der Atem stockte, klammerte sich an Sals Arm und schrie aus vollem Hals. Sal hingegen blieb völlig regungslos. Keinen Laut gab er von sich. Er hielt nur seinen Hut fest, damit er nicht davonflog.
    Als die Fahrt vorbei war, sagte Sal zu ihr: »Dummes Ding, deinetwegen bin ich jetzt taub.«
    Cetta fand, dass er reichlich blass aussah.
    »Gehen wir«, meinte Sal und sprach danach kein Wort mehr mit ihr.
    Selbst als er sie während der Rückfahrt auf der Fähre frösteln sah, schwieg er und legte ihr auch nicht schützend seine Jacke um die Schultern. Als sie wieder im Auto saßen, ließ Sal Manhattan hinter sich, überquerte den East River, fuhr nach Brooklyn hinein und brachte sie in eine von kümmerlichen Bäumen gesäumte Straße in Bensonhurst. Die Häuser hier waren nur zwei oder drei Stockwerke hoch. Alles war anders als in der Lower East Side. Bensonhurst sah aus wie ein Dorf. Sal ließ Cetta aussteigen und führte sie am Arm in eines der Häuser. Sie stiegen hinauf in den zweiten Stock.
    »Hier wohne ich«, sagte er und schloss eine Tür auf.
    In der Wohnung bugsierte er sie auf ein braunes Sofa, legte seine Jacke und das Pistolenholster ab und krempelte die Ärmel hoch. »Zieh dein Höschen aus«, forderte er sie auf.
    Cetta streifte ihren Schlüpfer ab und ließ ihn auf den Boden fallen. Daraufhin streckte sie die Hand nach Sals Glied aus, das sich unter seiner Hose abzeichnete, und streichelte es.
    »Nein«, sagte Sal. Er kniete sich vor sie, spreizte ihre Beine und schob ihren Rock hoch. Dann vergrub er das Gesicht in den dunklen Härchen. Er schnupperte. »Gewürze«, sagte er, ohne den Kopf zu heben, und seine dumpf vibrierende Stimme rief ein seltsames Kitzeln bei Cetta hervor. »Rosmarin ... und Pfeffer ...«, fuhr er leise fort und ließ dabei seine von Faustschlägen eingedrückte Nase kreisen.
    Cetta stellte fest, dass sie den Wunsch verspürte, die Augen zu schließen.
    »Feuchte Wildnis ... von der Sonne gewärmt ... aber nicht getrocknet ...«
    Cetta schloss nie die Augen, wenn sie mit einem Freier schlief. Nicht einmal, wenn sie es im Dunkeln tat und niemand sie beobachten konnte. Warum das so war, wusste sie nicht. Ihr war einfach nicht danach, die Augen zu schließen.
    »Ja ...

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