Der Junge, der Träume schenkte
hinaus.
»Vergiss nicht, die Gräfin zu rufen«, erinnerte Sal sie, bevor er die Tür schloss.
Cetta war noch feucht, als sie mit dem ersten Freier schlief. Doch bald war alles wieder wie immer.
»Ich finde den Weg zum Bordell allein«, sagte Cetta, als sie spät in der Nacht nach Hause fuhren.
»Nein«, erwiderte Sal.
Von dem Tag an fasste er sie nicht mehr an. Er holte sie ab und brachte sie nach Hause, wie zuvor. Aber er kostete sie nicht mehr. Und Cetta streckte weder im Auto die Hand nach ihm aus, noch lehnte sie den Kopf an seine Schulter oder rieb Christmas’ Hände mit Ruß ein, um zu spielen, Sal und sie wären verlobt. Und als ihr eines Tages wieder einfiel, dass sie seinerzeit eine Fahrkarte nach Coney Island gekauft hatte, die sie noch in ihrer Lackhandtasche aufbewahrte, warf sie sie ins Herdfeuer.
Zwei Tage vor Weihnachten erstand sie bei einem fliegenden Händler eine Kette aus unechten Korallen für Tonia und eine Wollmütze für Vito. Danach ging sie zu einem Kindergeschäft in der 57th Street, Ecke Park Avenue, und stand lange vor dem Schaufenster. Alles, was es hier zu kaufen gab, war unannehmbar teuer. Es war ein Laden für Reiche. Sie sah elegante Frauen, mit großen Paketen beladen, das Geschäft wieder verlassen. Da entdeckte sie unter einer Wiege, deren Preis so hoch war wie die Jahresmiete für eine Wohnung in der Lower East Side, ein Paar Söckchen in den Farben der amerikanischen Flagge, mit Sternen und Streifen. Nachdem sie in ihrer Handtasche nachgeschaut hatte, ob sie genügend Geld dabeihatte, betrat Cetta das Geschäft für Reiche. Es duftete herrlich.
»Bedaure, wir sind vollzählig«, sagte ein Mann um die fünfzig. Er trug einen dunklen Anzug und eine dicke Goldkette quer über der Weste.
»Wie bitte?«
»Wir brauchen keine Verkäuferinnen«, erklärte der Mann und strich dabei seinen Schnurrbart glatt.
Cetta errötete und wandte sich zum Gehen, doch dann hielt sie inne. »Ich wollte ein Geschenk kaufen«, sagte sie und drehte sich um. »Ich bin eine Kundin.«
Der Mann musterte sie mit hochgezogener Augenbraue. Herablassend winkte er schließlich einen Verkäufer herbei und zog sich ohne ein weiteres Wort zurück.
Als der Angestellte ihr die Söckchen zeigte, betastete Cetta sie lange. Nie zuvor hatte sie etwas so Weiches gefühlt. »Packen Sie sie hübsch ein«, sagte sie. »Mit einer großen Schleife.« Stolz holte sie das Geld hervor. Als sie schließlich den Ladenbesitzer entdeckte, der gerade einer eleganten Dame unterwürfig eine von Hand bestickte Decke zeigte, ging sie zu ihm hinüber.
Der Mann und die Kundin bemerkten ihre Anwesenheit und wandten ihr den Blick zu.
»Ich habe bereits eine Arbeit«, verkündete Cetta höflich lächelnd. »Ich bin Nutte.« Daraufhin verließ sie mit dem Päckchen in der Hand das Geschäft.
Als sie zu Hause ankam, war Tonia in heller Aufregung. »Wir hatten immer nur drei Stühle«, erzählte die alte Frau. »Aber in diesem Jahr sind wir zu viert.«
»In diesem Jahr?«, fragte Cetta, die nicht begriff.
»Sal verbringt jedes Jahr den Heiligabend bei uns«, mischte sich Vito ein. »Deshalb haben wir drei Stühle. Zwei für uns und einen für Sal, wenn er Weihnachten hier ist.«
»Und Signora Santacroce kann uns keinen Stuhl leihen«, schloss Tonia.
»Ich kümmere mich darum«, versprach Cetta. »Macht euch keine Sorgen.« Sie versteckte die amerikanischen Söckchen zusammen mit den anderen Geschenken unter der Matratze und verließ das Haus.
Während Cetta durch die Straßen des Viertels bummelte, versuchte sie zu verstehen, weshalb die beiden Alten so aufgeregt waren. Doch der Gedanke beschäftige sie nicht lange, denn mit einem Mal überkam die Aufregung auch sie. Die Aussicht auf ein Abendessen mit Sal ließ ihre Beine zittern. Und sie hatte kein Geschenk für ihn! Ob er ihr wohl etwas schenkte? Für einen Moment stellte Cetta sich genüsslich vor, wie Sal ihr in seiner schroffen Art eine Lederschatulle überreichte, in der sich ein Verlobungsring verbarg. Dann beschloss sie, diesen dummen Gedanken zu verwerfen. Sie sah in ihre Geldbörse. Ein bisschen Geld war ihr noch geblieben. Eigentlich hätte sie es gern gespart, doch plötzlich stand sie vor einem Trödelladen und entdeckte im Schaufenster einen hässlichen Stuhl mit Armstützen und einer hohen, thronartigen Rückenlehne. Als sie sich vorstellte, wie Sal darauf saß, musste sie lachen. Da haben wir dein Geschenk, dachte sie fröhlich und betrat den kleinen
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