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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Laden.
    Sie verhandelte zäh und erstand schließlich für einen Dollar fünfzig den Königsstuhl, zwei – am Fuß gesprungene – Glasleuchter samt Kerzen und eine gebrauchte Tischdecke mit einem Saum aus Makrameespitze. Sie lud sich das ganze Bündel auf und kehrte zurück nach Hause.
    »Nein, der Ehrenplatz gebührt dem Hausherrn«, sagte Sal an jenem Heiligabend und weigerte sich, auf dem Thron Platz zu nehmen, den Cetta für ihn gekauft hatte. »Vito, der Stuhl gehört dir. Wenn du ihn nicht nimmst, hocke ich mich lieber auf den Boden.«
    Vito wirkte lächerlich auf dem riesigen Stuhl. Doch auf seinem welken Gesicht lag ein stolzes Lächeln. Er hatte die Mütze auf dem Kopf, die Cetta ihm geschenkt hatte. Tonia trug die unechte Korallenkette, Christmas die Söckchen mit der amerikanischen Flagge.
    Die Tischdecke war zu groß für den Tisch, sie hatten sie zusammenfalten müssen. Doch alles in allem sieht es aus wie bei reichen Leuten, dachte Cetta. Die Kerzen in den Glasleuchtern waren angezündet. Sal hatte für Speisen und Getränke gesorgt. Es gab Nudelauflauf, falschen Fisch aus Kartoffeln und Thunfisch, Käse, Salami und Wein. Cetta hatte etwas getrunken und fühlte sich schwindlig. Sie hatte einen Finger ins Glas getaucht und Christmas daran saugen lassen, doch er hatte angewidert das Gesicht verzogen. Alle hatten gelacht, auch Sal, und dabei hatte er seine perfekten weißen Zähne gezeigt. Cetta hatte ihn den ganzen Abend heimlich beobachtet. Mit besonderer Aufmerksamkeit hatte sie ihm das Essen serviert, als wäre sie seine Frau. Sobald sein Glas leer gewesen war, hatte sie ihm Wein nachgeschenkt. Auch Tonia und Vito waren bester Laune gewesen. Schließlich war es Zeit für die Torte, und Sal öffnete eine Flasche italienischen Sekt. Cetta hatte noch nie Sekt getrunken. Süß und spritzig schmeckte er und prickelte angenehm am Gaumen. Sie schloss die Augen, aber in ihrem Kopf drehte sich alles. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte Sal das Glas erhoben. Er machte ein ernstes Gesicht.
    »Auf Mikey«, sagte Sal und prostete Tonia und Vito zu.
    »Wer ist Mikey?«, fragte Cetta lachend, bevor sie bemerkte, dass auch die beiden Alten ernst geworden waren. Tonia hatte Tränen in den Augen.
    Alle schwiegen verlegen.
    »Michele war mein Sohn«, sagte Tonia leise.
    »Auf Mikey«, wiederholte Sal und stieß mit Tonia und Vito an, nicht jedoch mit Cetta.
    Sie saß mit erhobenem Glas da und sah zu, wie Sal, Tonia und Vito langsam, mit schwerem Herzen, einen Schluck tranken. Das Fest war vorbei.
    Mit großer Geste wie ein Zauberer, doch ohne Fröhlichkeit, zog Sal noch einen Seidenschal für Tonia aus der Tasche und legte ihn ihr um die Schultern. Für Vito hatte er ein Paar fingerlose Handschuhe gekauft. »Sie sind aus Kaschmir. Das ist die wärmste Wolle, die es gibt«, erklärte er dem Alten. Dann reichte er Cetta eine schmale Halskette mit einem zierlichen Kreuz.
    »Ist die aus Gold?«, fragte Cetta aufgeregt.
    Sal antwortete nicht.
    Tonia umarmte ihn, doch ihre Freude war erloschen. Vitos Blick ging ins Leere, und seine Augen waren vom vielen Alkohol gerötet. Er stand auf und schwankte leicht. Sal führte ihn zu seinem Bett und half ihm, sich hinzulegen. Dann küsste er Tonia auf beide Wangen, nickte Cetta zu und ging.
    Cetta folgte Sal aus dem fensterlosen Raum. An seiner Seite ging sie den finsteren Flur entlang und stieg mit ihm gemeinsam die Stufen zum Gehweg hinauf. Sal öffnete die Tür zu seinem Wagen.
    »Komm nicht auf dumme Gedanken«, ermahnte Sal sie.
    »Was ist mit Mikey passiert?«
    »Komm nicht auf dumme Gedanken. Da ist nichts zwischen uns beiden.«
    »Ich weiß«, entgegnete Cetta, während sie hinter dem Rücken die Hände zu Fäusten ballte. In einer Faust hielt sie die Kette mit dem Kreuz.
    Für einen Moment sah Sal sie schweigend an. »Hast du das auch wirklich verstanden?«
    »Ja. Du leckst mir die Möse, mehr nicht.«
    »Wann es mir passt.«
    Hocherhobenen Hauptes stand Cetta da. Das Licht der Straßenlaterne verlieh ihren Augen ein dunkles Glühen. Sie schlug den Blick nicht nieder, zeigte ihre Verletzung nicht. »Wie ist Mikey gestorben?«
    »Er wurde ermordet.«
    »Das ist alles? Weiter nichts?«
    »Weiter nichts.«
    »Und du verbringst Weihnachten mit den Eltern aller Ermordeten?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Das ist wohl alles, was du sagen kannst.«
    Sal stieg ins Auto und zog die Tür hinter sich zu.
    »Dann frage ich eben Tonia!«, schrie Cetta ihm nach.
    Jäh stieß Sal

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