Der Junge, der Träume schenkte
enger in ihren dünnen Morgenmantel.
»Wir haben ein Radio, Mama!«, sagte Christmas aufgeregt und fiel ihr um den Hals. »Genau wie der Präsident!«
Wie eine Furie entwand Cetta sich ihm, stürzte zum Radio und schaltete es aus. »Wo kommt das her?«, fragte sie. »Also stimmt es, was man sich im Viertel erzählt. Hast du es gestohlen? Bringst du dich gerade in Schwierigkeiten?«
»Nein, Mama, nein. Das ist ein Geschenk ...«
»Ein Geschenk von wem?« Cettas Augen blitzten finster. Sie wandte sich dem Chauffeur zu. »Und wer sind Sie?«, fragte sie angriffslustig.
»Verzeihen Sie die Störung, Ma’am. Ich wusste nicht, dass Sie in einem Nachtclub arbeiten, sonst wäre ich später gekommen ...«, hob Fred an.
»Wer sind Sie?« Cetta trat dicht an ihn heran.
»Warte, Mama, warte. Kein Wort, Fred«, ging Christmas, den Zeigefinger auf den Chauffeur gerichtet, dazwischen. Dann nahm er Santo beim Arm und zog ihn zur Tür. »Das ist eine Familienangelegenheit«, sagte er, schob ihn hinaus und schloss die Tür wieder.
»Bringt mein Sohn sich gerade in Schwierigkeiten?«, erkundigte Cetta sich in finsterem Ton bei Fred.
»Nein, Ma’am, das versichere ich Ihnen«, beruhigte der Chauffeur sie. Dann wandte er sich an Christmas. »Vielleicht sollten Sie Ihrer Mutter alles erzählen.«
»Was hast du mir zu erzählen?«
»Ich habe nichts Böses getan, Mama. Sag du es ihr, Fred.«
»Mr. Saul Isaacson«, begann der Chauffeur, der immer noch kerzengerade dastand, »wollte Mr. Luminita für die Rettung seiner Enkelin danken.«
»Ruth, Mama. Erinnerst du dich an sie?«
»Wie geht es ihr? Das arme Mädchen ...«, sagte Cetta sogleich sanfter.
»Viel besser, Ma’am, danke.«
»Ich bringe mich nicht in Schwierigkeiten, Mama«, betonte Christmas.
»Nein, nein, mein Junge«, murmelte Cetta, schloss ihn in die Arme und strich über sein blondes Haar. Dann nahm sie lächelnd sein Gesicht in ihre Hände. »Ein Radio!«, rief sie freudestrahlend aus. »Das hat niemand sonst im ganzen Viertel.« Sie kicherte wie ein kleines Mädchen.
»Da wäre auch noch der hier«, warf Fred ein und reichte Christmas zögernd den Briefumschlag, den er in der Tasche trug. »Wenn Sie wollen, kann ich ...«
»Mein Sohn kann lesen und schreiben«, unterbrach Cetta den Fahrer voller Stolz und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Ja, ich kann lesen, Fred«, bestätigte Christmas und nahm den Umschlag entgegen.
»Bitte entschuldigen Sie. Auch Sie, Ma’am ...«, sagte Fred und senkte leicht den Kopf. »Er ist von Miss Ruth. Wenn Sie ihn gleich lesen möchten, stehe ich Ihnen auf Wunsch von Mr. Isaacson weiter zur Verfügung.«
Verwirrt öffnete Christmas den Brief. Nur wenige Zeilen in eleganter Handschrift bedeckten das blassgrüne Briefpapier.
»Was für eine schöne Schrift sie hat!«, bemerkte Cetta. Verlegen lächelte sie Fred an, bevor ihr Blick wieder auf den Brief zurückfiel. »Was schreibt sie?«
Christmas senkte das Blatt. Er war blass. Bewegt.
»Was schreibt sie?«, fragte Cetta noch einmal.
»Sie will mich sehen, Mama.«
»Wo? Wann?«
»Miss Ruth ist noch nicht wieder vollkommen gesund«, mischte sich Fred ein. »Sie wurde aus der Klinik entlassen, aber der Arzt hat ihr geraten, sich nicht zu überanstrengen. Sie ist jetzt auf dem Land. Wenn Mr. Luminita einverstanden ist und keine anderweitigen Verpflichtungen hat, würde ich ihn zur Villa Isaacson fahren und am Nachmittag wieder zurückbringen. Es wäre Miss Ruths Familie eine Ehre, ihn beim Mittagessen zu Gast zu haben.«
»Mama ...« Christmas wusste nicht, was er sagen sollte. Mit großen Augen sah er sie an.
Cetta lächelte ihm zu und drückte ihn an sich. »Hab keine Angst, mein Junge«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Geh nur, und iss für mich mit.« Sie lachte.
»In Ordnung ...«, sagte Christmas zu Fred und versuchte, Haltung anzunehmen. »Dann komme ich mit.«
»Ich warte im Wagen auf Sie. Lassen Sie sich ruhig Zeit«, sagte Fred. »Entschuldigen Sie die Störung, Ma’am.« Er deutete eine Verbeugung vor Cetta an.
»Schon gut ...«, erwiderte sie. Kaum hatte der Chauffeur die Wohnung verlassen, schaltete sie das Radio ein. »Es funktioniert nicht mehr«, stellte sie enttäuscht fest, als sie nichts als Rauschen hörte.
»Die Röhren müssen sich erst aufheizen, Mama«, erklärte Christmas nachsichtig.
»Was du alles weißt, mein Sohn«, sagte Cetta voll ehrlicher Bewunderung und nahm sein Gesicht in ihre Hände. Mit einem Mal erfüllte Musik den
Weitere Kostenlose Bücher