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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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schlechter war als zuvor, der aber mit jedem Tag mehr ihr gehörte.
    »Peng! Du bist tot, Hosenscheißer!«, schrie Christmas eines Tages, als Sal nach dem sonntäglichen Mittagessen kurz davor war einzunicken, und hielt ihm eine Holzpistole an den Körper.
    Sal fuhr auf dem Stuhl zusammen und riss Christmas die Pistole aus der Hand. Cetta sah in Sals Blick Furcht, aber auch Zorn, und bekam Angst um Christmas. Als sie sich zwischen die beiden stellte, befahl Sal:
    »Sag ihm, er soll das nie wieder tun.« Daraufhin gab er Christmas die Pistole zurück und schloss wieder die Augen.
    Vielleicht gehört er mir nur deshalb mehr, weil er Angst hat, dachte Cetta da. Doch da sie ihn liebte und wusste, wie sehr Sal unter seiner Angst litt, ging sie in die Kirche, kniete vor der Statue der Jungfrau Maria nieder und betete darum, er möge wieder zu dem selbstbewussten und furchtlosen Mann werden, der er einmal gewesen war. »Er ist ein Gangster«, erklärte sie der Muttergottes leise.
    1912 brach in der Lower East Side erneut ein Krieg aus, nun zwischen Italienern und Iren. Aber es war ein Krieg, der nicht auf den Straßen und nicht mit Pistolen geführt wurde. Die von den Iren angeworbene Armee war die New Yorker Polizei, der Teil der Polizei, der sich mit großzügigen Schmiergeldzahlungen bestechen ließ.
    Es ging um Clubs und Bordelle, Lagerräume voll mit getauftem – gepanschtem – Whisky, Glücksspielautomaten, Wetten, Spielhöllen. Es war ein Angriff auf das Geschäft. Auf das Herz des Gangstersyndikats. Ein in erster Linie aus finanziellen Gesichtspunkten motivierter Angriff. Aber gleichzeitig stand dahinter eine wohldurchdachte Strategie, um die dicken Fische über die kleinen auszuschalten, indem man über Strafen und Immunität verhandelte.
    Am Abend des dreizehnten Mai 1912 tauchte Silver in einem eleganten Anzug und herausgeputzt wie ein Schauspieler im Clubhouse auf. Das Seidenjackett saß perfekt und warf nur winzige Falten dort, wo sich die Pistole verbarg. Er hatte sich sehr verändert, seit Sal ihn zuletzt gesehen hatte. Man erzählte sich, Silver habe Geschmack am Töten gefunden, nachdem er dem jüdischen Jungen in den Kopf geschossen hatte.
    »Der Boss kommt heute Abend vorbei«, eröffnete er Sal. »Er sagte, du sollst dir die Hände waschen. Er findet es nämlich abstoßend, wenn so schmutzige Hände wie deine ihm etwas zu trinken ausschenken.«
    »Dafür sind doch die Barkeeper zuständig«, entgegnete Sal.
    Silver zuckte mit den Schultern. »Am Ende bittet er mich noch, sie dir abzuhacken«, sagte er, und als er lachte, blitzte in seinem Oberkiefer einer seiner falschen Schneidezähne golden auf.
    Ich würde ihm liebend gern auch noch den anderen ausschlagen, dachte Sal grimmig, doch er beherrschte sich. Wahrscheinlich hatte Vince Salemme niemals diese Bemerkung über Sals Hände gemacht, und es war bloß wieder eine dieser blödsinnigen Ideen, für die Silver zunehmend berüchtigt war. Wenn nun aber tatsächlich der Boss den Befehl gegeben hatte, wäre es nicht besonders clever gewesen, ihm mit schmutzigen Händen gegenüberzutreten. »Wann kommt er?«, fragte Sal deshalb.
    »Warum? Wie viel Zeit brauchst du denn zum Händewaschen?«
    Sal musterte ihn schweigend.
    »Er fährt erst bei Nate’s in Livonia vorbei, danach kommt er her«, sagte Silver schließlich.
    Sal drehte sich um und ging ins Bad. Während er seine Hände schrubbte, bis sie rot waren, schnürte ihm eine zunehmende Anspannung die Kehle zu. Das bringt Unglück, dachte er.
    Die Razzien in den Spielhöllen an der Bowery und in Livonia erfolgten zeitgleich. Als die von den Iren angeheuerten Polizisten in die drei Lokale eindrangen, ließen sie viele Gäste und auch einige Huren laufen. Von Beginn an war klar, dass sie ein bestimmtes Ziel im Auge hatten. Sie waren auf der Suche nach dem dicken Fisch, nach Vince Salemme. Da sie ihn nicht fanden, musste in der Nacht wenigstens ein kleiner Fisch in ihre Netze gehen, und dieser kleine Fisch war Sal Tropea.
    Gleich danach drangen die Polizisten in das Bordell ein. Cetta, Ma’am und etwa zehn weitere Huren wurden in einen schwarzen Polizeiwagen verfrachtet. Bei der Durchsuchung kam ein Beamter aus dem Bürgermeisteramt ums Leben, der in die Innentasche seines Jacketts gegriffen hatte, um der Polizei seinen Ausweis zu zeigen. Ein Polizist hatte jedoch, in dem Glauben, der Mann wolle eine Pistole ziehen, fünf Schüsse auf ihn abgefeuert, von denen einer die Hure, die bei ihm lag, ins Bein

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