Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
wussten.
    Noch stand reglos die Klinke über dem harzigen Spalt der Füllung. Und als sich Kai nun im Schrillen der Glocke steifend reckte, entwuchs der überstandenen Gefahr und dem kommenden Fortruf so Kräftigung seines Selbst, dass er den verworren schleichenden Klotzsch locken konnte und hänseln, bis der, neu in die Bank gehockt, durch ins Ohr gesteckten Finger weiteren Anruf verwies.
    Doch schon gellte es neu, zur nächsten Stunde, der letzten;das kaum verkühlte Holz der Bank rieb wieder schmerzendes Gesäß; durch die schrammende Tür sprang, Heftstoß unterm Arm, Zubeil, Professor, Anton genannt, und Kai murmelte hastig, den Kopf geneigt, die Finger federnd am Deckel: »Hex! Hex! Hex!«, trotzdem das Bewusstsein, die Arbeit stamme von Korn, die »Zwei bis« garantierte.
    (»Doch die letzte Stunde. Wahrscheinlichkeit des Vorrufs ist größer, von acht bis zwölf konnte der Brief ihn erreichen …!«)
    (»Anton ist wütend. Wie er glotzt! Meint er mich? Unmöglich. Vielleicht gar die ›Zwei‹. Endlich werde ich wieder Papa Früchte des Fleißes weisen …«)
    (»Auf dem Gang schleicht’s. Naht es sich schon …? Schmeiß nicht die Hefte! – Horch! Mein Herz klopft!«)
    »Schitt! Geedeschall! Stehnse auf! Beede! – Nu, was habense mir zu sagen?«
    Hinter der euligen Brille kugelt der Blick.
    Sie suchen sich, fragend, zweifelnd …
    »Hierher sehnse! Nu?… Nu?… Nichts?… Nu, wer hat abgeschrieben? … Wer hat abgeschrieben?«
    »Herr Professor …!«
    »Herr Professo …!«
    (›Auf dem Gang steht jemand, lauscht, sicher für mich!‹)
    »Geedeschall, habense von Schitt abgeschrieben? Oder Schitt, habense von Geedeschall abgeschrieben?«
    »Ich …«
    »Herr Professor …!«
    »Denkense, ich bin so dumm! Denkense, ich merk das nich! Gloobense denn, so dumm bin ich?!«
    Schütts Wohllaut dringt durch: »Keinesfalls, Herr Professor, habe ich auch nur daran gedacht …«
    (,Draußen tastet’s noch immer. Wenn es doch käme! Nur nicht dies Warten! Verfluchter Schwätzer Anton!‹)
    »Das is es ja eben, Schitt! Nich gedacht habense! Se haben de Fünf und Geedeschall hat de Fünf! Nu …?«
    Aber sie schwiegen: Schütt machte eine Handbewegung, weit und abweisend, Kai sah vor sich und rief zu sich, heißer und dringender, jenen im Gang, der kommen sollte, endlich, Erlösung zu bringen.
    »Setzense sich! Se werden zu Ostern de Folgen sehen!«
    Die Stunde drehte sich kreischend. Kleine Gedanken, kaum gesprosst, verkümmerten schon. Ein Staub nistete in der Nase, knirschte zwischen Zahn und Zahn. Scharren eines Fußes, lauteres Anheben der Stimmen in Scheltwort und Anruf waren die Hügel, zwischen denen sich ewiges Einerlei dehnte. Unmöglich noch zu denken, dass jemand kam. Kaum noch zu glauben, dass Brief Tatsächliches war. Alles wehte vorbei. Und da es ihm schien, als werde sein Gesicht schlaff und hängend, ließ auch Kai sich ganz versinken, faltig und riechend den andern gleich, bis endlich, nach Gegell der Glocke, Erwachen war wie widerstrebendes Dehnen der Glieder und erst Arnes Tadel über die fehlergefüllte Arbeit stärkere Kräuselung in Abwehr brachte.
    »Aber sie stammte von Krebs; fehlerlos sollte sie sein!«
    Und der Blick Kais flehte Verzeihung.
    »Krebs! Krebs! Komm mal her!«
    Aber Krebs schien nicht zu hören, entschlüpfte, und Kais suchender Blick fand Klotzsch, gerötet, gesenkten Kopfes; begriff das Komplott des Feindes, noch immer Feindes.
    »Oder nein! Jetzt nicht mehr. Damals war er’s. Wieder versöhnt, hülfe er wahrhaft.«
    Und bestärkte in sich den unsicher noch schwankenden Glauben, da ihm so viel Aufwand, andern zu schaden, nichtdenklich erschien; schien doch der Weg nur des Gehens wert, der Gängers Vorteil verhieß.
    »Also kommst du mit?« Arne drehte ungeduldig die Mütze.
    »Natürlich. Noch ein Buch zu besorgen, Klatsche für Homer.«
    »Nun also!«
    Sie gingen schweigend. Leicht stäubte Schnee. Die Kleinen lärmten um sie, und der Schneeball eines Proleten streifte Kais Arm. »Äx«, machte Arne.
    »Also denn!«
    »Mach’s gut!«
    Im Laden schob die voll Bebuste ihr lächelndes Gesicht zum flüsternden Kai. »Natürlich, Herr Goedeschal. Einen Augenblick, bis die andern fort. Dass sie nichts merken. Dort liegen Bücher, neue. Bitte.«
    Kai blätterte. Immerzu klinkte die Glocke. Wie lange hier noch zu stehen, bis das Weib die Klatsche zu bringen wagte! Wieder sank sein Blick zum neuen Buch, gleichgültig, fasste ein Wort, griff zu, starrte, zog sich zusammen,

Weitere Kostenlose Bücher