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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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rings im Raum still geworden; damit war das höchste Maß an Achtung bezeigt, das Handelsleute erweisen konnten.
    »Was wünscht der große Häuptling der Dakota in meinem bescheidenen Laden zu kaufen? Ich hoffe, Harry Tokei-ihto heute ebenso zufriedenstellen zu können wie vor zwei Sommern!«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Großartig! Selbstverständlich! Bitte – hier ist eine Flinte, die ich sehr …« Der Händler hob eine alte Waffe in die Höhe.
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Die Vorderladerflinte ist nicht gefällig? Ich habe Hinterlader … bitte … werde gleich …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »O ja, natürlich, eines Häuptlings würdig! Eine Büchse! Eine Büchse muß es sein!«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Wir führen die verschiedensten Konstruktionen. Einen gezogenen Lauf würde ich nicht einmal empfehlen. Nein, warum? Eine solche Büchse …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Gebrauchte Waffen, tadellos gepflegt, kann ich anbieten – diese sogar für Felle – ist es gefällig, in Fellen zu zahlen? Eine berühmt gewordene Flinte …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »O ja, Oberst Cody, genannt Buffalo Bill, hat eine Repetierbüchse, ich weiß, ich weiß! Macht viel Umstände, braucht viel Pflege, schwer zu handhaben! Häufige Ladehemmungen. Hat sich auch bei der Armee nicht sonderlich bewährt. Ich würde das dem Häuptling nicht empfehlen! Eine vorzügliche Jagdflinte …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Vielleicht ist es gefällig, in Dollars zu zahlen? Eine doppelläufige Büchse mit gezogenem Lauf? Das beste vom Besten!«
    »Ein Repetiergewehr.«
    Die Zuhörer dieses Handelsgesprächs begannen zu grinsen. Nur Tashunka-witko und seine Begleiter blieben ernst. Der kleine Mann schnappte nach Luft. »Es ist zur Zeit eigentlich nicht gestattet … ich meine, nicht gern gesehen, wenn Indianer Repetiergewehre führen, wie sie bei der Armee in Gebrauch sind – ich meine, also nur für Jagdzwecke, nicht wahr …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Vielleicht beliebt es, in … in … in Gold zu zahlen? Die Jagdflinte …«
    »Ein Repetiergewehr.« Der junge Dakota wiederholte wie ein Automat, immer mit dem gleichen Stimmklang, ohne Ungeduld oder Zorn zu verraten.
    Der kleine Mann wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Für die Büffeljagd, nicht wahr? Für die Büffeljagd!« Da der Sprecher aufgeregt war, lispelte er. »Das praktischste ist immer noch …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    »Alle Teufel und Heiligen, ich will tun, was in meinen Kräften steht, aber der große Häuptling braucht die Waffe sofort? In diesem Fall ist das beste …«
    »Ein Repetiergewehr.«
    Die Umstehenden lachten. Tashunka-witko blieb sehr aufmerksam. Der junge Häuptling öffnete einen kleinen Lederbeutel, dessen Innenseite zur Hälfte grün, zur Hälfte rot gefärbt war, und legte Dollars auf den Ladentisch, sagte dazu aber kein Wort mehr.
    »Ach so, der Häuptling beliebt, in Dollars … es muß also unbedingt … ich meine, es soll unbedingt …«
    Der Dakota schwieg, betrachtete den kleinen Mann aber erstaunt und eindringlich.
    »Wir haben eine solche Waffe nämlich für den Leiter unserer Station bestellt! Ich weiß nicht, ob ich sie weggeben darf. Die Lieferungen lassen immer so lange auf sich warten! Der Häuptling wird noch einen Dollar dazulegen!«
    Der junge Dakota klopfte mit zwei Fingernägeln auf den Tisch und sagte: »Das Repetiergewehr und dreihundert Patronen dazu. Ich habe wenig Zeit.«
    »Allmächtiger! Moment! Ich werde den Stationsleiter rufen.«
    Aber der Dakota hielt mit seinem Blick den fuchsgesichtigen Mann fest. Die Mienen des Verkäufers wurden schlapp und betrübt. Er fuhr mit der Zungenspitze über die Lippen, als ob er sie anfeuchten müsse. »Wenn es also sein muß! Aber mein Schaden ist zu groß, viel zu groß! Wie soll ich das wieder hereinbringen! Ein Geschenk ist es, ein Geschenk für einen großen Häuptling!« Er ging in einen Nebenraum und kam mit der gewünschten Waffe sowie mit der Munition zurück. Es war ein gutes Gewehr, und zum erstenmal wurde der junge Dakota unruhig, weil er mit ansehen mußte, wie der Händler diese Waffe handhabte. Er nahm sie ihm aus der Hand und spielte damit, so wie ein Zimmermann mit der Axt oder ein Maurer mit dem Hammer spielt. Eine Waffe war für einen Häuptling in einem Volk von Jägern ein gewohntes und vertrautes Arbeitsinstrument.
    Er lud, entlud, lud und sagte dabei: »Du schenkst mir die Waffe und die Munition. Ich schenke dir die Dollars. Hau. Sechs Patronen habe ich

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