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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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des Platzes um und rief, während er das Leder vor dem Gesicht ein wenig lüftete, laut über den Platz:
    »Und wo ist Monito?«
    Chef de Loup fuhr zusammen. Diese Stimme kannte er. Es gab keinen Zweifel mehr. Das war Fred Clarke.
    Man sah, wie Tschetansapa sich zu dem großen Mann begab und ihm zu erklären schien, wo das Äffchen zu finden sei.
    Chef de Loup schob sich mit den Füßen ein Stück tiefer, so daß er von seiner Kopfstütze herunterrutschte und flach lag; er zog die Decken über den Kopf und hielt sich nur einen kleinen Ausguck offen. Er wünschte, das Weitere zu beobachten, ohne selbst erkannt zu werden.
    Es war sehr reizvoll zu erfahren, ob Fred Clarke, genannt Red Fox, Kundschafter im Dienste der Armee, nebenbei dreihundert Gewehre an den Feind verschob. Dann hatte er allerdings Grund gehabt, Tobias lieber nach den Black Hills zu schicken.
    Tokei-ihto stand jetzt hinter der Feuerstelle, dem Eingang gegenüber. Er hatte die Büffelhautdecke über die linke Schulter geschlagen, so daß seine Verwundung am Arm nicht zu sehen war.
    Der ganz in Leder gekleidete Mann, dessen Gesicht von einer ledernen, nur mit Augenschlitzen versehenen Maske verhängt war, lief mit langen Schritten über den freien Platz und kam geradewegs in das Zelt herein. Vor dem Feuer blieb er dem Dakota gegenüber stehen; ihm zu Füßen hockte der in Decken gewickelte Bacerico bei einem angewärmten Heizstein.
    Einen Atemzug lang herrschte Stille, die Männer blieben reglos. Nur Ohitika, der Hund, hatte die Nackenhaare gesträubt und knurrte; seine Augen funkelten im Zwielicht von Schatten und Feuerschein.
    Dann riß der Fremde den breitkrempigen Hut vom Kopf und das Leder vom Gesicht. Sein Mund mit den hervorstehenden gelben Zähnen verzog sich:
    »Eh! Harry! Meinen Gruß! Kennst du mich noch, alter Freund?«
    Der Indianer rührte sich nicht und sagte nichts. Er stand wie aus Stein gehauen; nicht einmal seine Augen hatten Leben.
    »Hallo! Harry!« wiederholte der Fremde laut. »Du bist wohl starr vor Überraschung? Hast nicht geglaubt, mich noch einmal frisch und lebendig in deinem eigenen Zelt zu erblicken, wie? Wiedersehen macht Freude, mein Junge! Ich habe dir auch was Hübsches mitgebracht wie ein alter Onkel – dreihundert Gewehrchen – nett, oder? Also, ganz ohne Umschweife, unter alten Freunden –« und Red Fox setzte sich auf die Decken nieder –, »ohne Umschweife: Was willst du zahlen?«
    Der Indianer sah auf den Mann mit den rötlichen Haaren und dem starken Kinn mit einem Blick herunter, der völlig undurchdringlich war.
    »Der weiße Mann irrt«, sagte er gelassen. »Hier gibt es keinen Krieger, der den Namen Harry trägt. Der weiße Mann befindet sich im Zelt Tokei-ihtos, des Häuptlings beim Stamme der Dakota!«
    »Uiih! Wie hochfahrend! Du willst mich also nicht mehr kennen? Dein Alter war gemütlicher – hier in demselben Zelt haben wir den ersten Becher miteinander getrunken, wenn ich mich nicht sehr täusche – kommt mir so bekannt vor hier –, na, lassen wir das. Geht auch so. Du bist dir doch klar, daß du mit den Männern des edlen Monito auch mir freies Kommen und Gehen zugesagt hast?«
    Der Dakota gab keine Antwort.
    Der Fremde sah ihn herausfordernd an, begann dann aber unsicher zu werden.
    »Also, wie du willst, mein Freund. Wenn es hier so hochnobel zugeht, muß ich mich eben anpassen. To-kei-ih-to! Klingt nicht übel! Alsoo –« der Sprecher zog den Ton lang hinaus, um dann plötzlich zu einer anderen Redeweise überzugehen, »also, ich bin im Dienste Monitos in das Zelt des Häuptlings gekommen, um mit ihm über die Waffen zu verhandeln, die wir liefern können. Dreihundert Armeegewehre, dazu reichlich Munition! Wir betrügen nicht! Tokei-ihto kann die Waffen nachher besehen und prüfen!«
    »Gehen wir, um sie uns anzusehen!«
    »So schnell? Du hast es zwar immer eilig gehabt, aber das ist übertrieben. Laß mich erst einmal von diesem Büffelfleisch essen, das mir so herrlich in die Nase duftet! Eine Höflichkeit ist der anderen wert! Ich bin doch der Gast des Häuptlings vom Stamm der Dakota? Oder habe ich falsch verstanden?«
    »Du befindest dich im Zelt Tokei-ihtos«, erwiderte der Indianer eisig. »Aber ich habe nicht gesagt, daß du mein Gast bist.«
    »Ja, erlaube, soll ich hier vielleicht verhungern? Das wäre durchaus gegen die Abrede – frei und unbehelligt und so weiter. Du gestattest also!«
    Der Weiße zog sein Messer und schnitt sich ein großes Stück Büffelfleisch ab. Mit

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