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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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größtem Appetit und bösartigem Grinsen begann er zu essen. Der Häuptling setzte sich nicht; es war überhaupt keine Bewegung an ihm wahrzunehmen. Nicht einmal seine Augenlider rührten sich.
    Man hörte das Schmatzen des ungebetenen Gastes, der seinen ersten Hunger stillte. Dann wandte er sich Monito zu, der wie ein boshaftes Äffchen neben ihm hockte. Der Spitzname war treffend.
    »Nun?« fragte Fred Clarke denKleinen. »Habe ich dich ermordet? Ich habe dich unversehrt bis in dieses Zelt schaffen lassen; es war Arbeit genug! Wahrhaftig! Dieses ist die letzte Reise, mein Lieber, die wir zu Pferde miteinander gemacht haben. Nie wieder!«
    »Nie wieder!« kreischte der Zwerg. »Nein! Nie wieder, du Scheusal!«
    Red Fox lachte sein häßliches, nervenraubendes Lachen.
    »Schön eingewickelt bist du, mein Goldkäfer! Wer hat dich denn so gut versorgt? Die hübsche junge Lady? Oder die alte brave Großmutter? Ja? Dort hängt noch eine Bärenhaut, willst du die nicht auch noch haben?«
    Der Rothaarige stockte und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.
    »Nichts für ungut – Harry Tokei-ihto!« sagte er. »Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Aber ich will mir ja die größte Mühe geben, deine zarten Gefühle nicht weiter zu verletzen! Dieser Büffelbraten schmeckt übrigens ausgezeichnet. Du bist immer ein famoser Jäger gewesen. Überhaupt ein Kerl! Wenn du nur nicht diese heimtückische Gemütsart hättest, dann könnten wir beide etwas zusammen machen!«
    Fred Clarke vertiefte sich wieder in das Essen, und es trat eine Pause in seinem Geschwätz ein.
    Chef de Loup spürte, wie es ihm heiß geworden war. Der freche Mut dieses Schurken schien keine Grenzen zu kennen. Wie sollte das enden? War Tokei-ihto wirklich gezwungen, den Mörder seines Vaters frei ausgehen zu lassen und ihm noch Wucherpreise zu bezahlen?
    Fred Clarke beendete seine Mahlzeit, lange bevor alles Büffelfleisch am Spieße vertilgt war.
    »Gut!« sagte er nochmals lobend. »Und reichlich! Geknausert hast du nie, das ist auch wahr. Immer gentlemanlike! Das liegt, scheint’s, so im Blut. Also, wie ist es jetzt? Kann ich hier für eine Nacht der Ruhe pflegen? Morgen verhandeln wir dann?«
    »Nein«, antwortete der Indianer, »wir verhandeln sofort, und dann verläßt du dieses Zelt.«
    Red Fox sah den Dakota gespannt an.
    »Sehr entgegenkommend bist du nicht, das muß ich sagen! Du meinst wohl, du verschaffst dir einen Vorteil, wenn du mich hundemüde zum Verhandeln zwingst? Da wirst du dich aber täuschen! Ganz so malade wie dieses Äffchen hier bin ich nicht, habe meine Gedanken noch so einigermaßen beisammen!« Er wandte sich Monito zu:
    »Was sagst du? Sollen wir darauf eingehen und den Handel gleich machen? Der Indianer da will sein Ehrenwort, scheint’s, zeitlich begrenzen! Wie wär’s? Dann wissen auch wir selbst gleich, woran wir sind!«
    An dem Kleinen ging eine Veränderung vor. Das Blut stieg ihm bis zu den Schläfen, seine Züge strafften sich; seine Augen blitzten auf wie Messer im Feuerschein. Seine Spinnenfinger begannen Kreise in der Luft zu beschreiben, als ob er etwas erklären wolle. Jetzt endlich erschien etwas von dem, was man sich unter dem mächtigen Schmugglerkönig vorgestellt hatte.
    »Heute noch?« fragte er mit seiner schrillen Stimme.
    »Ja! Heute noch! Ich bin ausgeruht! Ich will wissen, was es gibt – ob du mich betrogen hast, du Schurke!«
    »Haha, mein Lieber, was heißt betrogen? Du bist dabei und kannst kontrollieren, worum gespielt wird! – Also dann gut!« wandte sich Red Fox wieder seinem Todfeind Tokei-ihto zu und erhob sich.
    »Du willst die Waffen erst einmal besichtigen. Das kannst du! Wir haben nichts zu verbergen. Gehen wir!«
    Der Indianer schritt schweigend dem Zeltausgang zu. Red Fox folgte ihm. Schwer traten seine hohen und starkbesohlten Lederstiefel auf.
    Als beide verschwunden waren, hörte Chef de Loup einen leisen Laut. Uinonah hatte den Kopf an die Schulter Untschidas gelehnt. Die alte Indianerin strich dem Mädchen flüchtig über das Haar.
    »Komm. Wir gehen.« Sie führte die Schwester des Häuptlings hinaus. Chef de Loup blieb allein mit Monito und dem Hund Ohitika. Er lockerte die Decke, die ihn verbarg, und schöpfte Luft.
    Monito war am Feuer hocken geblieben und hielt Selbstgespräche.
    »Sie sind gut«, murmelte er vor sich hin. »Gut sind sie, neu. Er wird es sehen. Er wird sie haben wollen. Er muß sie haben wollen; keiner liefert so wie ich. Er muß zahlen.« Der

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