Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
eines Verräters?« Red Fox schrie. Seine Wut schäumte über.
    Der Häuptling trat dicht an den anderen heran.
    »Schweig.« Er sprach leise. »Ich habe dir das Leben zugesagt für die Rückkehr bis zur Grenze meiner Jagdgründe – aber nicht für immer und überall.«
    »Ich fürchte deine Rache nicht, Dakota!« Die Augen Fred Clarkes schillerten jetzt wie in wirklichem Wahnsinn. Er lachte heiser. »Das Gold! Oder diese Waffen gehören der Armee! Du hast es gehört! Es ist mein letztes Wort!«
    Red Fox verfolgte nach seinen Worten den Häuptling mit jenem lauernden Blick, mit dem die Raubkatze ihr Opfer beobachtet. Auch er hatte gesehen, daß Tokei-ihto bleich geworden war und daß sein Blut in kurzen Stößen durch die Adern pulste. Die Büffelhautdecke war von seiner Schulter herabgeglitten. Über den linken Arm des Häuptlings sickerte das Blut in roten Fäden. Die Wunde schien sich trotz des Verbandes wieder geöffnet zu haben. Tokei-ihto war bis zur Zeltwand zurückgetreten und stützte sich mit dem ausgestreckten Arm gegen einen der schlanken Fichtenstämme. Seine Augen sahen über seinen Feind hinweg, als ob sein Blick sich in weiter Ferne verliere.
    »Nein«, wiederholte er dann mit unnatürlicher Ruhe. Die Nasenflügel des Yankees bebten. Sein rasender Zorn weidete sich an der Qual des Mannes, der sich ihm nicht fügen wollte.
    »Harry!« sagte er gedämpft, nach langem Schweigen, während Chef de Loup das eigene Herz klopfen hörte.
    »Harry, es freut mich zu sehen, daß deine Beherrschung Grenzen hat. Zum erstenmal in meinem Leben sehe ich das, und wir haben uns doch zehn Jahre gekannt. Du bist blaß geworden, mein Freund, und dein Blut verrät dich. Ich bin nicht so ungeduldig wie du; ich kann warten. Diese Nacht, noch eine Nacht, viele Nächte. Du kannst dich auf diese Nächte gefaßt machen; sie werden dir wohlgefallen wie der Marterpfahl, an den du deinen alten Freund Red Fox so gerne binden möchtest. Was tun? Ich werde dafür sorgen, mein Lieber, daß deine Krieger erfahren, du wollest sie um dreihundert Armeegewehre bringen, die schon hier sind – aus purem verstiegenem Trotz. Aber das sind deine Sorgen, und ich sehe, daß du dir diese Sorgen machst!«
    Tokei-ihto ließ die Zeltstange los, damit es nicht scheinen konnte, als ob er einer Stütze bedürfe. Er bückte sich, hob die Büffelhautdecke auf und legte sie wieder um die Schulter, seine Wunde verbergend. Dann trat er zum Feuer heran. Die Feinde standen sich nahe gegenüber, Auge in Auge.
    Tokei-ihto schwieg.
    Red Fox keuchte.
    »Harry – du kennst mich noch nicht ganz. Ich habe deinem Alten den Garaus gemacht, das ist wahr, und ich sage dir, ich werde auch dich vernichten, wenn du dich nicht fügst. Das Gold muß mein sein … mein wird das Gold!«
    »Nein!« schrie der Zwerg schrill dazwischen. »Mein ist es, du Hund …«
    Red Fox trat mit dem Fuß hart nach Monito. Der Zwerg schrie auf vor Schmerz und krümmte sich. Dann war er still.
    »So, den sind wir vorläufig los. Harry, jetzt geht es nur noch zwischen uns beiden. Ich will aber nicht mehr mit dir verhandeln, verstehst du? Das hast du dir verscherzt. Du denkst wohl, ich bin ein dummer weißer Mann, der von eurem Brauch nichts ahnt und den du übertölpeln kannst. Aber täusche dich nicht. Ich weiß so gut wie du, daß ein Kriegshäuptling bei den Dakota nicht machen kann, was er will, und daß über eine so wichtige Sache wie einen großen Waffenhandel die Versammlung der Ratsmänner befragt werden muß. Dein ›Nein‹ gilt nicht, Tokei-ihto! Eine gewichtigere Stimme als du haben Hawandschita, der alte Zauberer, und die Ratsversammlung. Du bist der Sohn eines Verräters, du bist aus Gnade hier wieder aufgenommen worden bei deinem Stamm, du wirst gehorchen müssen, wenn die Versammlung deiner Männer dir befiehlt. Wenn du die Versammlung morgen nicht sofort einberufen läßt, so werde ich dafür sorgen, daß sie einberufen wird. Man wird deinen Trotz brechen und beschließen, daß du mir dein Gold für die Waffen geben mußt!«
    Als diese Drohung ausgesprochen war, dachte Chef de Loup an Schonka, der bei dem Gastmahl den Häuptling voller Haß betrachtet hatte. Es mochte sein, daß Red Fox Erfolg haben würde! Die Erregung schüttelte den Delawaren.
    »Wenn du morgen beraten willst, so lege dich jetzt schlafen«, erwiderte Tokei-ihto. Ein brüchiger Klang in seiner Stimme war das einzige, das noch etwas von den Vorgängen in seinem Innern ahnen ließ.
    »Das ganze Zelt hier steht

Weitere Kostenlose Bücher