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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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solltest bei wem sein?«, fragte Gretel.
    »Wie bitte?«, fragte Bruno und blinzelte sie an.
    »Bei wem, hast du gesagt, solltest du sein?«, wiederholte sie.
    »Tut mir leid«, sagte Bruno und versuchte schnell nachzudenken. »Ich hab dich nicht ganz verstanden. Könntest du es nochmal sagen?«
    » Bei wem, hast du gesagt, solltest du sein? «, schrie sie und beugte sich vor, damit es diesmal kein Missverständnis geben konnte.
    »Ich habe nie gesagt, dass ich bei jemandem sein sollte«, erklärte er.
    »Doch, hast du. Du hast gesagt, jemand würde denken, du hast ihn vergessen.«
    »Wie bitte?«
    »Bruno!«, sagte sie drohend.
    »Bist du verrückt?«, fragte er, denn sie sollte denken, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Da Bruno aber kein geborener Schauspieler war wie Großmutter, klang er nicht sehr überzeugend, so dass Gretel nur den Kopf schüttelte und mit einem Finger auf ihn zeigte.
    »Was hast du eben gesagt, Bruno?«, bohrte sie weiter. »Du hast gesagt, da wäre jemand, bei dem du sein solltest. Wer ist das? Sag’s mir. Hier ist niemand, mit dem du spielen könntest, oder?«
    Bruno überdachte das Dilemma, in dem er sich befand. Einerseits hatten seine Schwester und er etwas Wesentliches gemeinsam: Sie waren keine Erwachsenen. Und obwohl er Gretel noch nie gefragt hatte, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie sich in Aus-Wisch genauso einsam fühlte wie er. In Berlin hatte sie Hilda, Isobel und Louise zum Spielen gehabt, die vielleicht nervige Mädchen waren, aber letztlich ihre Freundinnen. Hier hatte sie niemanden außer ihren leblosen Puppen. Wer wusste schon, wie verrückt Gretel am Ende war? Vielleicht dachte sie, die Puppen würden mit ihr reden.
    Gleichzeitig aber war nicht von der Hand zu weisen, dass Schmuel sein Freund war, nicht ihrer, und er wollte ihn nicht teilen. Folglich gab es nur eine Möglichkeit, er musste lügen.
    »Ich habe einen neuen Freund«, setzte er an. »Einen neuen Freund, den ich jeden Tag treffe. Und der wartet jetzt auf mich. Aber das darfst du keinem erzählen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es ein eingebildeter Freund ist«, sagte Bruno und versuchte möglichst verlegen auszusehen, genau wie Oberleutnant Kotler neulich, als er sich in die Geschichte über seinen Vater in der Schweiz verstrickte. »Wir spielen jeden Tag zusammen.«
    Gretel sperrte den Mund auf und starrte ihn an, ehe sie loslachte. »Ein eingebildeter Freund!«, rief sie. »Bist du nicht ein bisschen zu groß für einen eingebildeten Freund?«
    Bruno versuchte beschämt und verlegen auszusehen, um seine Geschichte noch glaubhafter zu machen. Er wand sich auf dem Bett und wich ihrem Blick aus, was prima funktionierte und ihn zu dem Schluss kommen ließ, dass er letztendlich doch kein so schlechter Schauspieler war. Er wäre unheimlich gern rot geworden, aber das war nicht ganz einfach, und so dachte er an peinliche Dinge, die ihm im Laufe der Jahre passiert waren, und hoffte, sie könnten ihm zum Erfolg verhelfen.
    Er dachte daran, wie er einmal vergessen hatte, die Badezimmertür abzuschließen, und Großmutter hereingekommen war und alles sehen konnte. Er dachte daran, wie er sich einmal im Unterricht gemeldet und die Lehrerin mit Mutter angesprochen hatte, worauf die ganze Klasse in brüllendes Lachen ausgebrochen war. Er dachte daran, wie er einmal vor einer Mädchengruppe vom Fahrrad gefallen war, als er einen speziellen Trick ausprobieren wollte, und er sich dabei das Knie aufgeschlagen und geweint hatte.
    Eine dieser Erinnerungen erfüllte ihren Zweck, und sein Gesicht wurde langsam rot.
    »Sieh mal einer an«, sagte Gretel und bestätigte es. »Du bist ganz rot geworden.«
    »Weil ich es dir eigentlich nicht erzählen wollte«, sagte Bruno.
    »Ein eingebildeter Freund. Ehrlich, Bruno, du bist ein hoffnungsloser Fall.«
    Bruno lächelte, denn ihm waren zwei Dinge klar. Erstens war er mit seiner Lüge davongekommen und zweitens stand fest, wenn hier jemand ein hoffnungsloser Fall war, dann bestimmt nicht er.
    »Lass mich in Frieden«, sagte er. »Ich will mein Buch lesen.«
    »Und warum legst du dich nicht hin, schließt die Augen und lässt es dir von deinem eingebildeten Freund vorlesen?«, fragte Gretel und war ganz begeistert von sich, weil sie jetzt etwas gegen ihn in der Hand hatte und gar nicht daran dachte, die Sache schnell auf sich beruhen zu lassen. »Das spart dir die Arbeit.«
    »Vielleicht sollte ich ihn losschicken, damit er deine Puppen aus dem Fenster wirft«, sagte

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