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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Oberleutnant Kotler durch die Zähne.
    Bruno wollte an ihm vorbei, aber aus irgendeinem Grund schien Oberleutnant Kotler heute mit ihm reden zu wollen.
    »Und, sind wir bereit für die Feier?«, fragte er.
    » Ich schon«, erwiderte Bruno, der neuerdings mehr Zeit mit Gretel verbrachte und eine Vorliebe für sarkastische Bemerkungen entwickelt hatte. »Für Sie kann ich natürlich nicht sprechen.«
    »Es werden viele Leute da sein«, sagte Oberleutnant Kotler, holte tief Luft und sah sich um, als befände er sich in seinem Haus und nicht in Brunos. »Und, werden wir uns von unserer besten Seite zeigen?«
    » Ich schon«, erwiderte Bruno. »Für Sie kann ich natürlich nicht sprechen.«
    »Für so einen kleinen Mann nimmst du den Mund ganz schön voll«, sagte Oberleutnant Kotler.
    Bruno kniff die Augen zusammen und wäre gern größer, stärker und acht Jahre älter gewesen. Eine geballte Ladung Wut explodierte in ihm und weckte in ihm den Wunsch, dass er den Mut aufbringen könnte, Kotler offen die Meinung zu sagen. Es war eine Sache, wenn seine Eltern ihm erklärten, was er zu tun hatte – das war absolut vernünftig und normal –, aber es war etwas ganz anderes, wenn ein Fremder ihm etwas vorschreiben wollte. Selbst jemand mit einem vornehmen Titel wie Oberleutnant .
    »Ach, Kurt, mein Teurer, du bist ja noch da«, sagte Mutter und trat aus der Küche auf sie zu. »Ich hätte jetzt ein bisschen Zeit, wenn ... Oh!«, sagte sie, als sie Bruno bei Kotler stehen sah. »Bruno! Was machst du denn hier?«
    »Ich wollte ins Wohnzimmer und mein Buch lesen«, sagte Bruno. »Zumindest habe ich das versucht.«
    »Hör mal, geh kurz in die Küche«, sagte sie. »Ich muss mit Oberleutnant Kotler unter vier Augen reden.«
    Dann gingen sie zusammen ins Wohnzimmer, und Kotler machte Bruno die Tür vor der Nase zu.
    Kochend vor Wut ging Bruno in die Küche und erlebte die Überraschung seines Lebens. Dort saß, weit entfernt von der anderen Zaunseite, Schmuel am Tisch. Bruno traute kaum seinen Augen.
    »Schmuel!«, sagte er. »Was machst du hier?«
    Schmuel blickte auf, und sein verängstigtes Gesicht öffnete sich zu einem breiten Grinsen, als er seinen Freund dastehen sah. »Bruno!«, rief er.
    »Was machst du hier?«, wiederholte Bruno. Er verstand zwar noch immer nicht ganz, was sich auf der anderen Seite des Zauns abspielte, aber die Leute dort hatten etwas an sich, das ihm sagte, sie sollten lieber nicht bei ihm zu Hause sein.
    »Er hat mich hergebracht«, sagte Schmuel.
    »Er?«, fragte Bruno. »Du meinst doch nicht Oberleutnant Kotler?«
    »Doch. Er hat gesagt, hier gäbe es Arbeit für mich.«
    Als Bruno den Blick senkte, sah er auf dem Küchentisch vierundsechzig kleine Gläser, eine Schüssel mit Seifenlauge und jede Menge Papierservietten. Mutter benutzte die Gläser immer, wenn sie einen ihrer medizinischen Sherrys trank.
    »Was um Himmels willen machst du da?«, fragte Bruno.
    »Ich soll die Gläser polieren«, erwiderte Schmuel. »Sie haben gesagt, sie brauchen jemand mit dünnen Fingern.«
    Wie zum Beweis und als wüsste Bruno es nicht längst, streckte Schmuel die Hand aus, und Bruno musste unwillkürlich an die Hand des Skeletts denken, das Herr Liszt eines Tages mitgebracht hatte, als sie den menschlichen Körperbau durchnahmen.
    »Das ist mir noch nie aufgefallen«, sagte er ungläubig, fast zu sich selbst.
    »Was ist dir noch nie aufgefallen?«, fragte Schmuel.
    Zur Antwort streckte Bruno seine Hand aus, so dass sich die Spitzen ihrer Mittelfinger fast berührten. »Unsere Hände«, sagte er. »Sie sind ganz unterschiedlich. Sieh nur!«
    Die beiden Jungen senkten gleichzeitig den Blick, der Unterschied war leicht zu erkennen. Obwohl Bruno für sein Alter klein war und ganz sicher nicht dick, sahen seine Hände gesund und lebendig aus. Die Adern schimmerten nicht durch die Haut, die Finger sahen nicht aus wie verkümmerte Zweige. Schmuels Hand dagegen erzählte eine völlig andere Geschichte.
    »Wie ist deine Hand so geworden?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte Schmuel. »Früher sah sie eher aus wie deine, aber mir ist nicht aufgefallen, wann sich das geändert hat. Auf meiner Zaunseite sehen alle so aus.«
    Bruno runzelte die Stirn. Er dachte an die Menschen in den gestreiften Anzügen und fragte sich, was in Aus-Wisch vor sich ging und ob es nicht etwas sehr Schlimmes sein musste, wenn die Menschen davon so ungesund aussahen. Nichts von alldem ergab einen Sinn für ihn. Da er Schmuels Hand nicht mehr

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