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Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Titel: Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Brown
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und zwar doppelt – in einer Reisetasche (weil er sabberte und kotzte) für die Fahrt selbst, eine Tasche mit Spielzeug und Dingen, die ihn ablenkten – und da waren, wie gesagt, die Koffer und sein faltbares Kinderbett noch nicht mitgezählt. Wenn wir im Auto fuhren, konnten wir natürlich noch mehr mitnehmen, einen zweiten Korb mit Spielzeug und seinen Plastik-»Hüpfer«, eine rollende, lila-grün-gelbe Plastikvorrichtung mit einem Stoffsitz, der in der Mitte hing, auf dem er sitzen und sich durch den Raum bewegen konnte. Er liebte das verdammte Teil. »Möchtest du hüpfen-hüpfen-hüpfen?«, fragte Johanna, und er grinste und hüpfte, hüpfte, hüpfte.
    Wir flogen auch mit ihm, aber das zu tun war wirklich grenzwertig, eine Form der Extremreise, die wir nur unternahmen, um Joanne und Jake, Johannas Mutter und Stiefvater in Pennsylvania, zu Weihnachten zu besuchen (wir bauten das Kinderbett zwischen den beiden Einzelbetten im überheizten Gästezimmer auf, hatten selbst im Winter das Fenster weit offen und kümmerten uns nachts beide um ihn, versuchten ihn dazu zu bringen, dass er leise war, damit er die anderen nicht weckte), oder nach Florida, ins Disneyland. (Jake, ein frommer Katholik, kaufte im Namen von Walker einen Ablass und betete zu Pater Pio, dem ortsansässigen Kandidaten für die Heiligsprechung.) Wir wussten nie, ob Walkers Ohren reagieren würden, dann weinte er die ganze Strecke, ob es ihn (und uns) in den Wahnsinn treiben würde, dass er ins Flugzeug eingesperrt war, oder ob er stattdessen bloß auf seinem Sitz schlafen oder liegen und aus dem Fenster auf die Wolken sehen würde, mit einem Lächeln auf seinem Gesicht. Wir wussten es nie.
    Wenn wir wirklich in der Klemme waren, versuchten wir es mit Babysittern. Wenn Olga verreist oder unabkömmlich war, an Silvester und den großen Feiertagen, besorgten wir uns einen Babysitter von einer Pflegeagentur, die auf den Umgang mit behinderten Kindern spezialisiert war. Es waren ausgezeichnete Pflegekräfte, zumeist völlig unerschütterlich, aber bis man sie kennen gelernt hatte oder wusste, wen man bekam, war es ein bisschen so, als würde man sein Kind der Obhut eines angeheuerten Wirbellosen überlassen. Ich meine, wer hat schon Zeit, an Silvester den Babysitter zu spielen? Mehrere von ihnen waren echte Exzentriker. Eine krankhaft schüchterne, hinkende fremde Riesin kam an die Tür, und ich würde so tun, als wäre es das Normalste von der Welt, meinen behinderten Sohn (und oft auch meine Tochter) für sechs Stunden einer Fremden zu überlassen. »Oh, Hallo, Einauge. Wie geht es Ihnen, nett, Sie kennen zu lernen, kommen Sie rein, ich bin Ian.«
    Ein erschrockenes Iip von Einauge wäre die einzige Reaktion.
    »Und das … ist Walker! Kannst du mal hallo sagen, Walker?« Natürlich wusste ich, dass er nicht »hallo« sagen konnte, aber was sollte ich denn sagen? Hier, ihr zwei scheint ja gut zusammen zu passen . Stattdessen sagte ich das Einzige, was ich sagen konnte: »Ich zeig Ihnen mal sein Zimmer.«
    Dann folgte unsere Standard-Erläuterung der üblichen Walker-Routine. Hier ist sein Essen, seine Kleidung, seine Windeln, sein Umkleidezimmer, sein Zimmer, sein Spielzimmer, sein Bett. Dann der Ablauf selbst: Er bekommt seine Spritze dann und dann und vier Milliliter hiervon dann und dann, und dann zwei Dosen Milchpulver alle vier Stunden, was Sie ihm verabreichen, indem Sie das hier anbringen und das andere da und dieses Ding in die Öffnung schieben – etc.
    »Hayley weiß, wie man das macht«, sagten wir und zeigten auf unsere bezaubernde vierjährige Tochter. Es war ein bisschen so, als würde man in fünf Minuten erklären, wie die Wasserleitungen in einem großen komplizierten Haus funktionierten, bevor man sich davonmachte. Denn wir wollten uns ja auch davonmachen.
    Aber das war, als Einauge ihre … Tasche auspackte. Tasche? Die Einauges schleppten immer einen Riesensack voller Geräte mit sich herum. Inhalatoren und Asthmasprays (ihre eigenen), Flaschen mit Handcreme, Snacks (einschließlich in einem Fall einem ganzen Laib Brot. »Was hat die denn vor?«, wunderte sich Johanna, nachdem wir gegangen waren. »Will sie ein Picknick machen?«). Eine Frau – sie kam mehrmals – fand die Treppe zuviel für sie, und als wir nach Mitternacht zurückkehrten, fanden wir sie auf dem Boden des Wohnzimmers wieder, Walker lebte und war, wie immer, hellwach. Hayley hatte ihre Lieblinge unter ihnen – wie etwa die Frau von der Atlantikküste, die

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