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Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Titel: Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Brown
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grinsenden Höflichkeit vor.
    Der Punkt ist, dass ich weiß, wie es ist, angestarrt zu werden, ein Objekt der Angst, des Mitleids, ja sogar des Hasses zu sein. Ich hoffe, dass Walker das nicht sehen kann, er scheint es zu ignorieren, und mit der Zeit hat er mir beigebracht, es auch zu ignorieren. Inzwischen gehen wir auf den Straßen spazieren, als gehörten sie uns. Walker hat mir die Augen dafür geöffnet, wie viele der Regeln, nach denen wir leben, einfach bloße Konventionen sind.
    An den tatsächlichen Tag seines Auszugs kann ich mich nur vage erinnern, wattig, als wäre mein Kopf mit lauter Kissen ausgestopft. Die Hinfahrt – Johanna hatte seine Kleidung und sein Spielzeug schon auf mehreren früheren Touren dorthin gekarrt – war still, ein sonniger Montagnachmittag. Wir kamen alle ins Haus marschiert, und ein halbes Dutzend Frauen, die dort arbeiteten, hieß ihn willkommen. Chantal, die Achtjährige, nahm ihn sich gleich vor. Eine Tour des Schlafzimmers und des restlichen Hauses, des Gartens, Einzelheiten über seine Medikamente, seine Nahrung, Instruktionen, wie man seine Pumpe richtig bediente, alles schlicht, um uns zu beruhigen. Wir blieben für ungefähr eine Stunde. Dann umarmten und küssten wir ihn, umarmten ihn noch einmal, Olga, Johanna, Hayley und ich, und dann taten wir es noch einmal und zwangen uns schließlich zu gehen, sagten laut zu allen Auf Wiedersehen und versuchten dabei, in Bewegung zu bleiben, versuchten, nicht stehen zu bleiben, damit wir nicht auf dumme Gedanken kamen. Die Fahrt zurück in die Stadt ohne ihn, nicht traurig oder wütend, sondern extrem aufmerksam, als würden wir durch einen prasselnden Regenschauer fahren.
    Es war ein gutes Haus, ja, natürlich, ausgezeichnet. Wir versicherten uns dessen gegenseitig immer wieder. Wir gingen an jenem Abend nicht aus, sondern blieben zu Hause und guckten Fernsehen und staunten über die Stille, den samtigen Luxus all der Zeit, die wir plötzlich hatten. Riesige Zeitfalten, wie Vorhänge. Wir konnten Fernsehen gucken! Alles, was wir wollten! Und Junge, Junge, wir freuten uns so auf den Schlaf. Ich dachte immer wieder, er sei unten mit Olga im Spielzimmer im Keller, wo sie oft ihre Zeit verbrachten – und dann fiel mir wieder ein, dass der Keller leer war, da unten war nichts mehr, nur die weißen Wände und der graue Fußboden, kein merkwürdiger junger Entdecker mehr, der seine Ecken und Schränke und Regale wieder und wieder untersuchte, als wüsste er, dass sie einen Schatz enthielten, auch wenn der sehr schwer zu finden war. Der Piratenjunge in den Eingeweiden unseres Hauses. Er war nicht mehr da. Bis heute kann ich nicht an jenen Abend denken, ohne dass mich eine seltsame, stille Pause überkommt, ohne dass ich mir in der Vorstellung die Finger in die Ohren stecken möchte, damit ich seine lachende, piepsende, quakende Stimme nicht höre.
    Wir gewöhnten uns an die neue Routine. Walker lebte in seinem neuen Haus: Er kam alle zehn Tage für einen dreitägigen Besuch zu uns, außerdem an langen Wochenenden und Feiertagen. Minda rief oft an, um zu sehen, wie wir zurechtkamen. Ich war auf der Suche nach Zeichen von Missbilligung. Minda war schließlich selbst Mutter, und ich konnte nicht glauben, dass sie nicht irgendwie auch, still und heimlich, Eltern verachtete, die nicht für ihre eigenen Kinder sorgen konnten. Denn diese Vorstellung hegte ich selbst. Aber ich irrte mich: Eines Nachmittags, beinahe zwei Jahre, nachdem Walker ausgezogen war, erklärte Minda, was sie bei uns gesehen hatte, als sie das erste Mal in unser Haus gekommen war. Wir tranken Kaffee in einem Vorort, auf dem Rückweg von einem der Planungstreffen, die wir regelmäßig wegen Walker haben.
    »Körperlich«, sagte sie, »waren Johanna und Sie nur noch Schatten Ihrer selbst. Hier waren zwei Menschen, die ihr Kind liebten, die versuchten, so gut zu funktionieren, wie es ging, die außerdem noch arbeiteten und noch ein zweites Kind hatten. Denken Sie doch mal an die Zukunft: Sollte Hayley auch leiden? Die Gefühle waren mit Händen zu greifen. Und der Kampf und der Schmerz, den ich Ihnen ansehen konnte – das Ganze war kurz vorm Kippen.«
    Sie hörte auf zu sprechen. Ich schenkte mir Kaffee nach.
    »Sie waren keine Leute mit einem imaginären Leiden«, fuhr Minda fort. »Jede Familie hat irgendetwas. Es ist bloß eine Frage des Ausmaßes und wie viel eine Familie aushalten kann. Und wie jede Familie reagiert. Und man muss in der Lage sein, um Hilfe bitten zu

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