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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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am Anfang eigentlich gar nicht so groß vorgekommen, dass man sich darin verlaufen konnte. Aber wenn er sich umdrehte, konnte er nicht sehen, wie man aus dem Laden wieder herauskam. Und nirgends ein Schild, das auf den Ausgang hinwies. Nur Hunderte und Aberhunderte von Holzmarionetten hinter ihm, die ihn frech anschauten – manche grinsten, manche lächelten, manche machten ernste Gesichter, manche wirkten gefährlich. Sämtliche Gefühlslagen, die man sich vorstellen konnte, gute und schlechte. Jede Empfindung. Plötzlich kam es Noah so vor, als wären die Marionetten überhaupt nicht seine Freunde und würden sich, eine nach der anderen, auf ihn zubewegen und ihn einkreisen, immer enger, immer enger.
    »Wer ist er überhaupt?«
, flüsterten sie.
    »Ein Fremder.«
    »Fremde mögen wir nicht.«
    »Sieht ziemlich komisch aus, oder?«
    »Klein für sein Alter.«
    »Hatte wahrscheinlich noch keinen Wachstumsschub.«
    »Aber schöne Haare hat er.«
    Es wurden immer mehr Stimmen, aber sie flüsterten nur, keine wurde lauter, und schon bald konnte Noah kein einziges Wort mehr verstehen, weil sie alle gleichzeitig redeten und die Wörter sich zu einer Sprache zusammenfügten, die er nicht verstand.
    Sie hatten ihn jetzt regelrecht umzingelt, und er hob eingeschüchtert die Hände, schloss die Augen, drehte sich um und zählte langsam bis drei. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein! Er nahm sich vor, wenn er bei drei die Augen wieder aufmachte, wollte er ganz laut schreien, so laut er nur konnte. Dann kam bestimmt jemand und rettete ihn.
    Eins,
    zwei,
    drei
 –
    »Hallo«, sagte eine Männerstimme. Sonst war alles still. Der Flüsterchor der Marionetten war augenblicklich verstummt. »Wen haben wir denn da?«

Kapitel 5 Der alte Mann
    Noah machte die Augen auf. Er hatte nicht mehr das Gefühl, dass die Marionetten ihn umzingelten, um ihn unter ihrem Gewicht zu begraben. Das Gewisper und Getuschel hatte aufgehört. Sämtliche Holzpuppen waren offenbar an ihre Plätze an der Wand zurückgekehrt, und plötzlich fand Noah es total lächerlich, dass er sich eingebildet hatte, sie würden ihn beobachten und über ihn reden. Sie waren doch nicht lebendig, sondern nur Puppen! Aber der ältere Herr, der mit ihm gesprochen hatte, war echt. Er stand nur ein paar Schritte von ihm entfernt, lächelte, als hätte er Noahs Besuch schon lang erwartet und als würde er sich freuen, dass es endlich geklappt hatte. Er hielt ein kleines Stück Holz in der Hand und schnitzte mit einem kleinen Messer daran herum. Noah schluckte ganz schnell vor lauter Aufregung und stieß einen überraschten Schrei aus, obwohl er es eigentlich nicht wollte.
    »Ach, du meine Güte«, sagte der Mann und schaute von seiner Arbeit auf. »Kein Grund zur Panik.«
    »Aber gerade eben noch war kein Mensch hier«, sagte Noah und blickte sich verdutzt um. Die Tür, durch die er den Laden betreten hatte, war immer noch nicht zu sehen. Wie war der alte Mann hereingekommen? Noah stand vor einem Rätsel. »Und ich habe Sie gar nicht kommen hören.«
    »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte der Mann. Er war sehr alt, sogar noch älter als Noahs Großvater, und hatte dichte gelbe Haare, die aussahen wie Haferbrei vermischt mit Maisbrei. Er hatte sehr helle Augen, die Noah nicht losließen, und seine Gesichtshaut war so faltig, wie der Junge es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. »Ich war unten und habe gearbeitet, ganz normal. Und dann habe ich Schritte gehört. Da habe ich gedacht, ich geh mal lieber nach oben und sehe nach, ob vielleicht ein Kunde meine Hilfe braucht.«
    »Ich habe auch Schritte gehört«, sagte Noah. »Aber ich bin mir sicher, es waren Ihre Schritte, als Sie die Treppe raufgekommen sind.«
    »Ach nein, ach nein!« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ich kann doch unmöglich meine eigenen Schritte hören und dann nach oben gehen, um nachzusehen, was los ist, oder? Es müssen
deine
Schritte gewesen sein.«
    »Aber Sie waren unten. Das haben Sie doch gerade eben gesagt.«
    »Habe ich das gesagt?« Der alte Mann runzelte die Stirn und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich kann mich nicht erinnern. Es ist alles schon so lange her, stimmt’s? Und ich befürchte, mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut wie früher. Vielleicht habe ich ja auch gehört, wie die Glocke über der Tür klingelt.«
    »Aber es hat keine Glocke geklingelt«, sagte Noah. Und als wäre der Glocke wieder eingefallen, worin ihre Aufgabe bestand, ertönte genau in dem

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