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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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das stimmt«, erwiderte der alte Mann, aber er klang irgendwie enttäuscht. »Eigentlich wollte ich gar keinen Orang-Utan schnitzen – aber egal.«
    »Ehrlich?«, fragte Noah. »Was wollten Sie denn dann schnitzen?«
    Der alte Mann schüttelte nur den Kopf und ging zu einem Korb in der Zimmerecke, der voller Holzstücke war. Er nahm eines, begutachtete es prüfend, nickte zufrieden und setzte sich wieder hin. »Ist nicht schlimm«, murmelte er leise, ohne auf die Frage des Jungen einzugehen. »Ich versuche es einfach noch mal. Irgendwann werde ich es schon schaffen. Aber ich finde, es sollte einen kleinen Nachtisch geben. Hast du Lust auf was Süßes?«
    »Wenn es nicht zu viele Umstände macht«, sagte Noah, der immer noch Hunger hatte. »Und übrigens – ich laufe nicht vor meiner Familie weg. Es ist nur so … na ja, meine Familie ist dort, und ich bin hier, das ist alles.«
    »Aber sie müssen sehr unsympathisch sein, wenn du nicht bei ihnen sein möchtest«, sagte der alte Mann und schnippte mit dem Finger nach dem Kühlschrank. Der kam sehr flink angelaufen, was sehr verwunderlich schien, weil er ja voller Zucker war. Der alte Mann öffnete die Tür und schaute hinein. »Ich kann dir leider keine große Auswahl anbieten«, sagte er. »Nur eine Cremeschnitte, eine Portion Götterspeise mit Eis, einen Schokoladenkuchen, eine Bananensahnetorte und Kirsch-Kirsch-Doppelkirsch-Pudding. Meinst du, das reicht?«
    »Das ist mehr als genug«, sagte Noah, dem es gar nicht gefiel, dass der alte Mann dachte, seine Familie bestehe aus unsympathischen Menschen und er sei deswegen weggelaufen. Sie waren nämlich überhaupt nicht unsympathisch. Im Grunde waren sie sogar sehr nett.
    »Aber wenn sie alle so nett sind, warum bist du dann weggelaufen?«, fragte der alte Mann. Noah staunte, weil er genau wusste, dass er den Gedanken nur gedacht und nicht laut ausgesprochen hatte.
    »Es ist einfach besser so«, antwortete er.
    »Sperrt dich dein Vater in den Kohlenschuppen ein?«
    »Nein!«, rief Noah entsetzt.
    »Zwingt dich deine Mutter, mit dem Hund in der Hundehütte zu essen?«
    »Natürlich nicht«, sagte Noah. »So was würde sie nie tun. Außerdem haben wir gar keinen Hund. Und wir machen immer tolle Ausflüge, wir zwei. Vor allem in letzter Zeit.«
    »Ach, tatsächlich?«, fragte der alte Mann. »Das klingt spannend.«
    »Ja, wir waren zum Beispiel im Flipper-Café«, sagte Noah und erzählte, dass er viereinhalb Millionen Punkte gemacht und damit alle Rekorde gebrochen hatte. »Und einmal hat sie mich vor einem Kaufhausdetektiv gerettet, als der behauptet hat, ich hätte die Zauberkarten gestohlen. Und erst vor ein paar Wochen hat sie für uns einen eigenen Privatstrand gebaut.«
    Der alte Mann zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Einen Privatstrand?«, fragte er. »Am Waldrand? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Sie würden sich wundern, was meine Mutter alles kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat«, sagte Noah mit einem leisen Lächeln. »Sie ist immer für eine Überraschung gut.«

Kapitel 11 Ein Überraschungsausflug
    Noahs Mutter gehörte eigentlich nicht zu den Leuten, die überraschende Dinge tun, aber vor ein paar Monaten hatte sich das grundsätzlich geändert, als nämlich die Frühjahrsferien bei Tante Joan ins Wasser gefallen waren. Seit Noah denken konnte, fuhren sie an Ostern zu ihr, und er freute sich immer auf diese Reise – nicht nur, weil sie dort am Meer wohnten und Noah stundenlang im Wasser herumplantschen oder Sandburgen bauen konnte, sondern auch, weil sein Cousin Mark sein bester Freund war, obwohl sie einander nur ein paarmal im Jahr sahen. (Die Küste, wo Tante Joan lebte, war weit weg vom Wald, wo die Familie Barleywater wohnte.)
    Alle Leute sagten, Mark sei genau das Gegenteil von Noah. Er war groß für sein Alter, und seine Eltern meinten, sie müssten ihm demnächst einen Backstein auf den Kopf legen, damit er endlich aufhörte zu wachsen, weil er seine Kleider immer nur ein paar Monate anziehen konnte, dann war er schon wieder aus ihnen herausgewachsen. Und er hatte dichte blonde Haare, während Noahs Haare schwarz waren. Und er hatte blaue Augen, Noah grüne. Und er war ein Star beim Fußball und beim Rugby – zwei Spiele, die Noah zwar auch gern mochte, in denen er aber leider nicht besonders gut war. Aus irgendeinem Grund kam er immer durcheinander, wenn sie diese Spiele in der Schule spielten – Fußball montags, mittwochs und freitags, Rugby immer am Dienstag

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