Der Junge mit dem Herz aus Holz
was ich alles versprochen habe, als ich ein Junge war. Weißt du – für meinen Vater gab es nichts Wichtigeres im Leben, als dafür zu sorgen, dass es mir gutging, aber ich habe ihn immer wieder enttäuscht. Ich bin weggelaufen und wollte große Abenteuer erleben, und dabei bin ich ständig in Schwierigkeiten geraten. Und wenn wir schon über Versprechen reden – tja, ich muss leider mit einem gebrochenen Versprechen leben, bis an mein Lebensende. Und nun, hättest du gern einen Tee? Oder lieber eine Tasse Kaffee?«
»Ich trinke keinen Tee und auch keinen Kaffee«, sagte Noah und verzog das Gesicht, als hätte er gerade eine Tonne verfaulte Äpfel verspeist. »Aber ich würde gern ein Glas Milch trinken, wenn Sie welche haben.«
Der alte Mann ging zum Kühlschrank und steckte eine ganze Weile den Kopf hinein, bis er schließlich mit einem Krug kalter Milch wieder auftauchte. Er füllte ein großes Glas für Noah und stellte es vor ihn auf den Tisch. Dann nahm er sein Stück Holz und sein Schnitzmesser und legte wieder los.
Noah trank einen Schluck Milch aus seinem Glas und fasste dann wieder in die Kiste, um die nächste Marionette herauszuholen. Bei dieser fing er sofort an zu grinsen. Es war ein Mann mit einem sehr dünnen Körper und einem sehr eckigen Kopf. Er sah aus wie jemand, der nur aus geometrischen Formen bestand und nicht aus Armen, Beinen und einem Rumpf.
Abb. 9 EINE HOLZKISTE , offen
»Ah – Mr Quaker!«, rief der alte Mann, als er die Puppe sah, und schüttelte leise lachend den Kopf. »Es wundert mich, dass mein Vater eine Marionette von ihm geschnitzt hat. Wie gesagt – Mr Wickle war derjenige, der mein Interesse am Laufen geweckt hat, aber Mr Quaker hat mir gezeigt, auf wie viele verschiedene Arten ich meine Begabung nutzen kann. Du hast von Versprechen geredet, Noah – tja, wegen Mr Quaker habe ich ein Versprechen gebrochen, das ich meinem Vater gegeben hatte.«
Kapitel 17 Die Mr-Quaker-Marionette
Kurz nachdem ich beim König und der Königin gewesen war (sagte der alte Mann), kam ich eines Tages von der Schule nach Hause und sah etwas, was mich sehr überraschte: Im Spielzeugladen stand ein Kunde und redete mit Poppa. Ich konnte mich nicht erinnern, wann das zum letzten Mal passiert war – der Esel und der Dackel waren im Allgemeinen die Einzigen, die in unseren Laden kamen. Aber erst, als die Glocke über der Tür merkte, dass ich da stand, und halbherzig bimmelte, drehte der Mann sich um und klatschte erfreut in die Hände.
»Und das hier muss Ihr Sohn sein!«, rief er mit dröhnender Stimme.
»Ja, das ist mein Sohn«, sagte Poppa leise.
»Er ist nicht so groß, wie ich erwartet habe.«
»Na ja, er ist noch sehr jung«, sagte Poppa. »Sein Wachstumsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Man kann sogar sagen, er hat gerade erst begonnen.«
»Hmmm, so wird’s wohl sein«, sagte der Mann und kam auf mich zu, packte meine Hand und schüttelte sie wie wild. »Darf ich mich vorstellen – mein Name ist Quaker. Joseph Quaker. Vielleicht hast du schon von mir gehört?«
»Nein, Sir«, gab ich zu.
»Du meine Güte«, sagte Mr Quaker und legte die Stirn in tausend Falten. »Das enttäuscht mich aber! Und es verletzt meinen Stolz. Aber egal – ich bin der Mann, der offiziell die Dorfmannschaft auswählt, die dieses Jahr zu den Olympischen Spielen fährt. Von den Olympischen Spielen hast du aber schon gehört, oder?«, fügte er hinzu, drehte sich zu Poppa und lachte herzhaft, als hätte er einen grandiosen Witz gemacht.
»Nein, Sir«, sagte ich wieder und zuckte die Achseln.
»Du hast noch nie von den Olympischen Spielen gehört?«, fragte Mr Quaker fassungslos, beugte sich vor und nahm die Brille ab, um mich genauer zu inspizieren. »Das meinst du doch nicht ernst, oder?«
»Wir leben sehr zurückgezogen hier im Spielzeugladen, Mr Quaker«, sagte ich. »Und da bekomme ich leider nicht viel von der Außenwelt mit. Aber neulich habe ich den König und die Königin besucht und –«
»Aber mein Junge«, unterbrach mich Mr Quaker, »die Olympischen Spiele sind das größte Sportereignis der Welt. Es dient dazu, das Gemeinschaftsgefühl zwischen den Nationen zu fördern und außergewöhnliche sportliche Leistungen zu feiern. Manche Athleten verbringen ihr ganzes Leben damit, für die Spiele zu trainieren, und wenn sie dort eine Medaille gewinnen, ist das die Krönung ihrer Laufbahn.«
»Das klingt ja toll«, sagte ich und rannte ein bisschen auf der Stelle, um meinen
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