Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
Vom Netzwerk:
Pumpenschwengel, riß sie herunter, hob und riß eine halbe Stunde im Takt, bis er keuchend die Ablösung vorbeiließ und in einem Moment der Unachtsamkeit sofort zu Boden geschleudert wurde.
    Er klemmte sich im Cockpit zwischen dem festgeschraubten Tisch und einem Spanten, einer ›Rippe‹ des Schiffsrumpfes, fest und fiel sofort in bleiernen Schlaf.
    Es schien nur Sekunden, bis ihn Harry Simmons wachrüttelte. »Mitkommen! Die Wasserfässer sind verrutscht. Wir sollen mit einem Trupp Ordnung schaffen.«
    Mit Tauen und Hebebalken tasteten sie sich in den Laderaum. Eine Sturmlaterne konnte nur wenig erhellen. Ratten huschten quiekend davon.
    »Vorsicht!« schrie David, »hier ist eine Last lose. Die Fässer können uns jeden Augenblick niederwalzen.«
    Mit Balken und Schultern stützten sie ab, schlangen Taue, zogen sie mit wunden Händen fest, knoteten, schlurften zu den anderen Fässern und zurück zu ihren ›Ruheplätzen‹. Brot wurde ihnen in die Hand gedrückt, ein Stück Käse, ein Holzbecher Bier.
    Wie viele Stunden war die letzte Mahlzeit her? David wußte es nicht. Mechanisch kaute er. Nur schlafen, nur einmal ruhig liegen können.
    Drei Tage und drei Nächte tobte der Sturm. Er zerschlug die Planken eines ihrer Kutter, brach die Vormarsstenge und riß am letzten Tag das vorderste Steuerbordgeschütz aus zerscheuerten Tauen. Bis es mit Stangen, Seilen und Hängematten wieder gebändigt werden konnte, hatte es einem Seemann das Wadenbein und einem anderen den Unterarm gebrochen.
    Im Krankenrevier lagen acht Matrosen mit Knochenbrüchen, zwei mit schwerer Gehirnerschütterung. Die Zahl der Prellungen, Aufschürfungen und Blutergüsse war nicht zu zählen.
    Der Kapitän hatte 60 von 72 Stunden an Deck verbracht, der Master kaum weniger. Als der Sturm abflaute, übergab Brisbane das Kommando an Mr. Grant.
    »Lassen Sie das Schlimmste aufklaren«, befahl er. »Und zu Beginn der nächsten Wache erwarte ich Meldung. Untersuchen Sie auch, wer nicht aufgepaßt hat, so daß das Geschütz die Taue durchscheuern konnte.«
    Mr. Grant hatte die Aufstellung der Schäden und der notwendigen Reparaturen vorgetragen. Kapitän Brisbane sah ihn mit rotgeränderten Augen an, die das eingefallene blaßgraue Gesicht nicht belebten, sondern eher die völlige Erschöpfung unterstrichen. Die Schäden waren in vierundzwanzig Stunden mit Bordmitteln völlig zu beheben.
    »Und wie konnte das Geschütz unbemerkt die Taue durchscheuern?« fragte er, ohne die Stimme zu erheben.
    »Ja, Sir. Mr. Winter war verantwortlich für die vordere Steuerbordbatterie. Er hat regelmäßig kontrolliert und Schäden beheben lassen, wie mir Mr. Morsey und der Bootsmann bestätigten. Beim letzten Kontrollgang vor dem Unfall wurde er von Mr. Bates an die Backbordseite zur Hilfe gerufen, weil ein Kanonier mit dem Kopf gegen die Geschützmündung geschleudert und bewußtlos geworden war. Nachdem er den Mann mit zwei anderen zum Schiffsarzt getragen hatte, vergaß er die beiden letzten Geschütze.«
    Teilnahmslos sagte der Kapitän: »Ich werde Mr. Winter degradieren und als Schiffsjungen in das Vorschiff schicken. Vermerken Sie es auf der Liste für den morgigen Appell.«
    Mr. Grant sah erstaunt hoch: »Sir, bei allem schuldigem Respekt. Ist das nicht eine sehr harte Strafe? Der Junge war völlig übermüdet und ist fast im Stehen schon beim Schiffsarzt eingeschlafen.«
    »Mr. Grant, wir alle waren und sind völlig übermüdet. Dürfen wir deshalb die Sicherheit des Schiffes aufs Spiel setzen? Sie wissen, daß ein losgerissener Zwölfpfünder ein Schiff leckschlagen kann. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, daß Mr. Winter einen Denkzettel braucht. Ich glaube, er hat etwas nachgeholfen, daß wir Mr. Marsh vor ein Kriegsgericht stellen mußten. Wenn er etwas taugt, wird er seine Schuld einsehen, und die Zeit im Vordeck wird ihn einiges lehren. Besteht er diese Prüfung, hole ich ihn zurück ins Cockpit. Und nun Schluß damit!« Der letzte Satz klang genauso unbeteiligt wie die anderen.
    Mr. Grant murmelte sein »Aye, aye, Sir!« und trat ab.
    Der Appell am nächsten Vormittag brachte für David die härteste Demütigung seiner jungen Laufbahn. Der Kapitän hatte ihn vor versammelter Mannschaft degradiert, und mit gesenktem Kopf stieg David vom Achterdeck hinunter und nahm unter der Mannschaft Aufstellung.
    Da halfen ihm nicht die tröstenden Worte seiner Kameraden im Cockpit. Sie hatten darauf bestanden, daß seine Seekiste bei ihnen blieb, und hatten

Weitere Kostenlose Bücher