Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
Vom Netzwerk:
du nicht träumen!«
    Und schon schimpfte ein Bootsmannsmaat anfeuernd. Die ›Bibel‹ war ein Scheuerstein in Buchgröße mit einem Handgriff. David kniete sich in die Ecke und schmirgelte das Deck ab.
    Eine Pütz Wasser wurde auf die Fläche geschüttet, die er scheuerte, damit die Wirkung der Schleifsteine erhöht wurde. David war nicht darauf vorbereitet und hockte nun mit nassen Knien und Hosenbeinen da.
    »Voran!« rief ihm William zu, »das Deck muß weiß werden, sonst kriegen wir alle Strafdienst!«
    David biß die Zähne zusammen und scheuerte mit aller Kraft hin und her. Er quetschte sich die Finger, und die Daumenkuppe war abgeschürft.
    »Aufpassen!« schrie der Kanadier hinter ihm.
    David sprang hoch, und der Strahl der Deckpumpe spülte Schleifsand und Schmutzreste mit kaltem Seewasser über Bord. David stand mit vor Kälte fast erstarrten Beinen in den Güssen.
    »Alle Mann klar zum Setzen der Bramsegel!« schallte es vom Achterdeck.
    »Komm mit mir zum Vorbramsegel!« zischte William.
    »Entert auf!« hallte es durch das Sprachrohr.
    Alle hasteten zu den Wanten und kletterten wie eine Affenhorde die Webeleinen hoch. David war etwas zur Seite gestoßen worden und spürte einen brennenden Schmerz über der Schulter, als er in die Wanten griff.
    Bootsmannsmaat Stradley hatte ihn mit dem ›Starter‹, einem Tauende, eins übergezogen. »Schlaf nicht ein, du Kakerlake! Hoch ins Rigg!«
    Harry Simmons, der in der Nähe stand, wollte eingreifen, aber Mr. Morsey, der die Szene beobachtete, flüsterte: »Sie halten sich raus. Das muß er durchstehen wie alle anderen.«
    Der Hieb war wieder eine Wunde für Davids Stolz, aber seine Stellung unter den Matrosen hatte er wesentlich verbessert. Wer Schläge empfing und geschunden wurde, war einer von ihnen, und die rauhe Kameradschaft seiner Gruppe hielt ihn.
    »Scheiß drauf!« brummelte der Kanadier. »Stradley ist ein Arschloch und wurde wegen seiner Kriecherei befördert. Nun will er zeigen, was er ist. Wenn er so weitermacht, wird er sich eines Nachts am Niedergang die Knochen brechen, und keiner wird wissen, ob jemand nachgeholfen hat.«
    David ging um acht Uhr mit dem Kombüsendienst seiner Wache, um Brot, Zucker, Mehl, Butter und Erbsen zu empfangen. Der erklärte ihm, was er jetzt zum Frühstück aufzuteilen hatte, was aufbewahrt wurde in den Holzboxen bis zum Abendbrot und was morgens um vier Uhr beim Koch zum Kochen abgegeben werden mußte.
    Da merkte David, wie wenig er vom Leben ›vor dem Mast‹ gewußt hatte. Für die Mannschaft gab es keine Messestewards, die ihr das fertige Essen brachten. Nein, wenn es Mehl, Zucker und Rosinen gab, dann verrührte das der Backschafter nach Gutdünken und brachte es um vier Uhr morgens in einem Kessel zum Koch, der es bis elf Uhr in dem heißen Wasser seiner Kupferfässer garen ließ.
    Gemüse, selten genug und nur in Hafennähe, wurde in Netzen ins Wasser gehängt, und jeder Kessel und jedes Netz mußten ein Schild mit der Nummer der Backschaft haben, sonst war es weg. Das Salzfleisch wässerte der Koch und erhitzte es, aber die Stücke mitzählen und aufpassen, daß sie die richtige Größe hatten, mußte der Backschafter.
    David stellte sich so dumm an, daß sein Kombüsendienst eine Woche verschoben wurde und er immer nur mitgehen und lernen mußte. Das kostete täglich eine gute halbe Stunde Schlaf und war bitter.
    Aber als er selbst Kombüsendienst hatte, brachte ihm sein Pudding am vorletzten Tag ein zufriedenes Grunzen seiner Backschaft ein, und das wog in seiner Situation im Augenblick mehr als ein Lob von Mr. Morsey.
    Davids Füße bekamen Schwielen, die Hände waren rauh und voller Teer. Aber er lernte, in der harten Welt des Vordecks zu leben, den Schlägern aus dem Weg zu gehen und den Deckoffizieren nicht aufzufallen. Die Berührung mit seinen ehemaligen Kameraden, den Servants und Midshipmen vermied er und war froh, wenn sie ihn nicht ansprachen.
    Er wollte nicht ihr Mitleid, und er wollte nicht daran erinnert werden, was er verloren hatte. Ich werde es euch allen zeigen! schwor er sich mehr als einmal heimlich. Entweder ich stehe das hier durch, oder ich desertiere in Amerika zu den Rebellen, die einem dafür ja ein Stück Land geben sollen.
    Eines Nachts schreckte David von einem Alptraum hoch. Susan war von einem Piraten verfolgt worden, und er war festgebunden und konnte ihr nicht helfen. Mühsam fand er sich in der Wirklichkeit zurecht. Da hörte er ein Rascheln und ahnte mehr, als er im

Weitere Kostenlose Bücher