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Der Junge

Der Junge

Titel: Der Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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Observatorium hinten im Garten einsperrte.
      Es war klar, daß man Eddie zurück nach Ida’s Valley schicken mußte. Da er jetzt seine Unzufriedenheit offen gezeigt hatte, würde er bei jeder Gelegenheit fortlaufen. Es war nicht gelungen, ihn anzulernen.
      Doch ehe man noch Tante Winnie in Stellenbosch anrufen konnte, stand die Frage der Strafe für den Ärger, den Eddie verursacht hatte, zur Debatte – Strafe dafür, daß man die Polizei benachrichtigen mußte, für den verdorbenen Samstagmorgen. Trevelyan bot dann an, die Strafe auszuführen.
      Er spähte während der Bestrafung heimlich ins Observatorium. Trevelyan hielt Eddie an beiden Handgelenken gepackt und peitschte mit einem Lederriemen auf seine bloßen Beine ein. Der Vater war auch dabei, stand daneben und sah zu. Eddie heulte und tanzte; überall waren Tränen und Rotz.
       »Asseblief, asseblief, ny baas«, heulte er, »ek sal nie weer nie!« – Ich werde es nicht wieder tun! Dann bemerkten die beiden ihn und bedeuteten ihm, er solle verschwinden.
      Am nächsten Tag kamen Tante und Onkel in ihrem schwarzen DKW aus Stellenbosch angefahren, um Eddie wieder zu seiner Mutter nach Ida’s Valley zu bringen. Es gab keinen Abschied.
      Also war Trevelyan, der Engländer, derjenige, der Eddie verprügelte. Tatsächlich wurde Trevelyan, der eine rötliche Gesichtsfarbe hatte und schon ein wenig fett war, noch röter, als er mit dem Riemen zuschlug, und schnaubte bei jedem Hieb, wobei er sich in Wut arbeitete, wie jeder beliebige Afrikaaner. Wie paßte also Trevelyan in seine Theorie von den guten Engländern?
      Er schuldet Eddie noch etwas, wovon er niemandem erzählt hat. Nachdem er das Fahrrad Marke Smiths von dem Geld gekauft hatte, das er zum achten Geburtstag bekommen hatte, und dann merkte, daß er gar nicht fahren konnte, war es Eddie, der ihn auf dem Gemeindeplatz von Rosebank schob und Kommandos brüllte, bis er auf einmal die Kunst des Balancierens beherrschte.
      Er fuhr dieses erste Mal einen großen Bogen, trat kräftig in die Pedale, um durch den sandigen Boden wieder dahin zu kommen, wo Eddie wartete. Eddie war aufgeregt und hüpfte herum. »Kan ek ’n kans kry?« verlangte er lautstark – Darf ich auch mal? Er gab Eddie das Rad. Eddie brauchte nicht geschoben zu werden; er fuhr schnell wie der Wind davon, auf den Pedalen stehend, sein alter marineblauer Blazer wehte hinter ihm her, und er fuhr viel besser als er.
      Er weiß noch, daß er mit Eddie Ringkämpfe auf dem Rasen ausgefochten hat. Obwohl Eddie nur sieben Monate älter als er und nicht größer war, besaß er eine drahtige Stärke und eine Zielstrebigkeit, die ihn immer Sieger werden ließen. Sieger, aber vorsichtig im Sieg. Nur einen Moment lang, wenn er seinen Gegner auf dem Rücken liegend festhielt, hilflos, gestattete sich Eddie ein triumphierendes Grinsen; dann rollte er herunter und wartete in Kauerstellung, bereit zur nächsten Runde.
      Eddies Körpergeruch hat er noch von jenen Ringkämpfen in der Nase, und er spürt noch seinen Kopf, den hohen, kugelrunden Schädel und das dichte, rauhe Haar.
      Sie haben härtere Schädel als die Weißen, sagt der Vater.
      Deshalb sind sie so gute Boxer. Aus demselben Grund, sagt der Vater, werden sie nie gute Rugbyspieler sein. Beim Rugby muß man schnell denken, darf kein Holzkopf sein.
      Während sie beide miteinander ringen, gibt es einen Moment, in dem seine Lippen und Nase gegen Eddies Haar gepreßt werden. Er nimmt den Geruch, den Geschmack wahr – den rauchigen Geruch und Geschmack.
      An jedem Wochenende mußte sich Eddie baden, in einem Zuber in der Dienstbotentoilette stehen und sich mit einem Seifenlappen waschen. Er zerrte mit seinem Bruder eine Mülltonne unter das winzige Fenster und kletterte darauf, um hineinzulugen. Eddie war nackt bis auf seinen Ledergürtel, den er noch um die Taille trug. Als er die beiden Gesichter am Fenster sah, grinste er breit und schrie »He!« und tanzte im Zuber herum, Wasser verspritzend und sich nicht bedeckend.
      Später sagte er dann der Mutter: »Eddie hat beim Baden den Gürtel nicht abgenommen.«
      »Laß ihn machen, was er will«, sagte seine Mutter.
      In Ida’s Valley, wo Eddie herkam, ist er nie gewesen. Er stellt es sich als kalten, nassen Ort vor. Im Haus von Eddies Mutter gibt es kein elektrisches Licht. Das Dach ist undicht, alle husten andauernd. Wenn man rausgeht, muß man von Stein zu Stein hüpfen, um nicht in Pfützen zu treten. Worauf kann

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