Der Junge
anzufassen).
Als er ausplaudert, daß Rob Hart von Miss Oosthuizen verprügelt wird, wissen seine Eltern offenbar sofort, warum. Miss Oosthuizen gehört zur Sippe der Oosthuizens, die Nationalisten sind; Rob Harts Vater, Inhaber eines Haushaltswarengeschäfts, ist bis zur Wahl von 1948 Stadtrat der Einheitspartei gewesen.
Die Eltern schütteln den Kopfüber Miss Oosthuizen. Sie schätzen sie als erregbar, labil ein; sie mißbilligen ihr rot gefärbtes Haar. Unter Smuts, so sein Vater, hätte man etwas dagegen unternommen, wenn ein Lehrer Politik in die Schule hineingetragen hätte. Sein Vater gehört auch der Einheitspartei an. Sein Vater hat sogar seinen Posten in Kapstadt verloren, als Malan 1948 über Smuts siegte, seinen Posten, auf dessen Titel – Chef der Mietrechtsstelle – die Mutter so stolz war. Wegen Malan mußten sie aus ihrem Haus in Rosebank, nach dem er sich so zurücksehnt, dem Haus mit dem großen, verwilderten Garten und dem Observatorium mit dem Kuppeldach und den zwei Kellern, mußte er die Rosebank-Grundschule und die Freunde in Rosebank verlassen und hierher nach Worcester ziehen. In Kapstadt machte sich sein Vater morgens in einem schicken Zweireiher, mit einem ledernen Diplomatenkoffer in der Hand, auf den Weg zur Arbeit. Wenn die anderen Kinder nach dem Beruf seines Vaters fragten, konnte er sagen: »Er ist Chef der Mietrechtsstelle«, und sie verstummten respektvoll.
In Worcester hat die Arbeit seines Vaters keine Bezeichnung.
»Mein Vater arbeitet bei Standard Canners« muß er sagen.
»Aber was macht er da?«
»Er ist im Büro, er führt die Bücher«, muß er lahm sagen. Er hat keine Ahnung, was ›Buchführung‹ bedeutet. Standard Canners produziert Konserven von Alberta-Pfirsichen, Bartlett-Birnen und Aprikosen. Standard Canners produziert mehr Pfirsich-Konserven als jede andere Konservenfabrik im Land – nur dafür sind sie berühmt.
Trotz der Niederlage von 1948 und des Todes von General Smuts bleibt der Vater der Einheitspartei treu – treu, aber pessimistisch. Rechtsanwalt Strauss, der neue Führer der Einheitspartei, ist nur ein blasser Schatten von Smuts; unter Strauss hat die Einheitspartei keinerlei Hoffnung auf einen Wahlsieg. Hinzu kommt, daß die Nationale Partei dabei ist, sich den Sieg zu sichern, indem sie die Grenzen der Wahlbezirke zugunsten ihrer Anhänger im platteland, auf dem Land, neu festlegt.
»Warum tut man nichts dagegen?« fragt er den Vater.
»Wer?« fragt der Vater. »Wer kann sie aufhalten? Sie können machen, was sie wollen, jetzt wo sie an der Macht sind.«
Er sieht den Sinn von Wahlen nicht ein, wenn die Siegerpartei die Regeln ändern kann. Es ist, als wenn der Schlagmann bestimmt, wer werfen darf und wer nicht.
Sein Vater schaltet das Radio zur Nachrichtenzeit ein, aber eigentlich nur, um sich den Spielstand anzuhören, im Sommer die Cricketergebnisse, im Winter die Rugbyergebnisse.
Früher einmal, ehe die Nationale Partei die Regierungsgeschäfte übernahm, kamen die Nachrichtensendungen aus England. Zuerst hörte man »God Save the King«, dann das Zeitzeichen aus Greenwich, danach sagte der Sprecher: »Hier ist London mit den Nachrichten« und verlas Nachrichten aus aller Welt. Das ist nun alles vorbei.
»Hier ist der südafrikanische Rundfunk«, sagt der Sprecher und beginnt eilig mit einem langen Bericht, was Dr. Malan im Parlament gesagt hat.
Was ihm am meisten zuwider ist an Worcester, weswegen er am liebsten fliehen möchte, sind die Wut und der Groll, die in den Afrikaanerjungen knistern. Er fürchtet und verabscheut die grobschlächtigen, barfüßigen Afrikaanerjungen in ihren engen Shorts, besonders die älteren, die dich, wenn sie nur die geringste Gelegenheit bekommen, an einen abgelegenen Ort im Veld bringen und dich auf verschiedene Art und Weise mißhandeln, worauf er höhnisch hat anspielen hören – borsei, heißt das zum Beispiel, was, soweit er ausmachen kann, bedeutet, daß sie dir die Hosen runterziehen und Schuhcreme auf die Eier bürsten (aber warum die Eier? Warum Schuhcreme?) und dich so, halbnackt und heulend, durch die Straßen nach Hause schicken.
Es gibt eine Überlieferung, die offenbar allen Afrikaanerjungen vertraut ist und von Lehrerstudenten, die zu Gast an der Schule sind, verbreitet wird, und bei dieser Überlieferung geht es um eine Aufnahmezeremonie und die damit verbundenen Gebräuche. Die Afrikaanerjungen tuscheln darüber in der gleichen erregten
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