Der Junge
Art, in der sie von den Prügeln sprechen, die sie beziehen. Was er davon mitbekommt, stößt ihn ab: Zum Beispiel muß man mit einer Babywindel herumlaufen oder Urin trinken. Wenn man das durchmachen muß, ehe man Lehrer werden kann, dann will er nicht Lehrer werden.
Es gibt Gerüchte, die Regierung werde anordnen, daß alle Schüler mit Afrikaans-Familiennamen in Afrikaanerklassen versetzt werden sollen. Die Eltern sprechen mit gedämpfter Stimme darüber; sie machen sich offensichtlich Sorgen. Was ihn betrifft, so erfüllt ihn der Gedanke, in eine Afrikaanerklasse wechseln zu müssen, mit panischer Angst.
Den Eltern sagt er, daß er nicht gehorchen wird. Er wird nicht mehr zur Schule gehen. Sie versuchen ihn zu beruhigen.
»Nichts wird geschehen«, sagen sie. »Es ist nur Gerede. Es wird Jahre dauern, ehe sie etwas unternehmen.« Er ist nicht beruhigt.
Es ist Aufgabe der Schulräte, erfährt er, falsche englische Jungen aus den englischen Klassen zu entfernen. Er lebt in entsetzlicher Angst vor dem Tag, an dem der Schulrat kommt, mit dem Finger die Liste der Schüler hinunterfährt, ihn aufruft und ihm befiehlt, seine Bücher zusammenzupacken. Für diesen Tag hat er einen sorgfältig ausgearbeiteten Plan. Er wird die Bücher zusammenpacken und das Zimmer ohne Protest verlassen. Doch er wird nicht in die Afrikaanerklasse wechseln. Statt dessen wird er ganz ruhig, um kein Aufsehen zu erregen, zum Fahrradschuppen hinübergehen, sein Fahrrad nehmen und so schnell nach Hause fahren, daß keiner ihn einholen kann. Dann wird er die Haustür zuschließen und seiner Mutter sagen, daß er nicht wieder in die Schule geht, daß er sich umbringen wird, wenn sie ihn verrät.
Ein Bild von Dr. Malan ist in sein Gedächtnis gegraben. Dr. Malans rundes, kahles Gesicht ist ohne Verständnis und Gnade. Seine Kehle pulsiert wie die eines Frosches. Er hat aufgeworfene Lippen.
Er hat Dr. Malans erste Amtshandlung im Jahre 1948 nicht vergessen: das Verbot aller Captain-Marvel- und Superman-Comics; durch den Zoll wurden nur Comics mit Tierfiguren gelassen, Comics, die einen auf Kleinkindniveau halten sollen.
Er denkt an die Afrikaans-Lieder, die sie in der Schule singen müssen. Die haßt er inzwischen so, daß er während des Gesangs kreischen und schreien und furzen möchte, besonders bei »Kom ons gaan blomme pluk«, dem Lied mit den Kindern, die auf den Wiesen inmitten von zwitschernden Vögeln und lustigen Insekten herumtollen.
An einem Samstagmorgen radelt er mit zwei Freunden auf der De-Doorns-Landstraße aus Worcester hinaus. Nach einer halben Stunde sehen sie keine menschliche Behausung mehr.
Sie lassen ihre Räder am Wegrand zurück und machen sich auf den Weg in die Berge. Sie finden eine Höhle, machen ein Feuer und essen die Sandwiches, die sie mitgebracht haben.
Plötzlich taucht ein Riesenbursche von einem groben Afrikaaner in Khakishorts auf. »Wie hetjulle toestemming gegee?« – Wer hat euch das erlaubt?
Ihnen hat es die Sprache verschlagen. Eine Höhle – brauchen sie eine Erlaubnis, um in einer Höhle zu sein? Sie versuchen zu lügen, aber es ist zwecklos.
»Julie sal hier moet bly totdat my pa kom«, verkündet der Bursche: Ihr müßt hierbleiben, bis mein Vater kommt. Er erwähnt ein tat, ein strop: einen Stock, einen Riemen; man wird ihnen eine Lehre erteilen.
Er ist benommen vor Angst. Hier draußen im Veld, wo niemand sie hört, werden sie Prügel beziehen. Sie können nichts zu ihrer Entschuldigung vorbringen. Denn es stimmt, sie sind schuld, er am meisten. Er war es, der den anderen versichert hat, als sie durch den Zaun geklettert sind, es könne keine Farm sei, hier sei nur das Veld. Er ist der Anführer, es war von Anfang an seine Idee, es gibt niemanden, dem man die Schuld in die Schuhe schieben könnte.
Der Farmer kommt mit seinem Hund, einem Schäferhund mit tückischem Blick in den gelben Augen. Wieder die Fragen, diesmal in Englisch, Fragen ohne Antworten. Mit welchem Recht sie hier seien? Warum sie nicht um Erlaubnis gefragt hätten? Wieder muß die armselige, dumme Verteidigung abgespult werden: sie hätten es nicht gewußt, sie hätten geglaubt, hier sei bloß das Veld. Er schwört bei sich, daß er diesen Fehler nie wieder machen wird. Nie wieder wird er so dumm sein und durch einen Zaun klettern und glauben, er käme damit davon. Dumm! denkt er bei sich; dumm, dumm, dumm!
Der Farmer scheint weder lat noch Riemen oder Peitsche dabei zu
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