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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Man machte den neuen Posten auf den Junker aufmerksam, der in ein Büffelfell eingerollt dalag, und er hielt ihn nun, wie er erklärte, unausgesetzt im Auge. Als der Morgen anbrach, erhob sich plötzlich ein Windstoß und hob dieeine Ecke des Büffelfelles auf, und durch diesen Anprall wurde der Hut des Junkers in die Luft gewirbelt und fiel einige Meter entfernt zu Boden. Der Wachtposten empfand es als sonderbar, daß der Schläfer nicht erwachte; er ging näher, und im nächsten Augenblick unterrichtete ein schriller Schrei das Lager, daß der Gefangene entwischt sei. Er hatte seinen Inder zurückgelassen, der während der ersten Aufregung beinah sein Leben eingebüßt hätte und jedenfalls unmenschlich mißhandelt wurde. Aber Secundra beharrte inmitten aller Drohungen und Grausamkeiten mit außerordentlicher Treue dabei, daß er die Pläne seines Herrn nicht kenne, was tatsächlich richtig sein mochte, und daß er von der Art und Weise der Flucht nichts wisse, was offenbar nicht stimmte. Den Verschwörern blieb also nichts übrig, als sich vollständig auf die Gerissenheit von Mountain zu verlassen. Die Nacht war kalt gewesen, der Boden war hart gefroren, und als die Sonne aufging, setzte sofort starkes Tauwetter ein. Mountain war stolz darauf, daß nur wenige Menschen die Spur hätten verfolgen können und noch weniger, selbst unter den eingeborenen Indianern, sie gefunden hätten.
    Der Junker hatte also einen großen Vorsprung, bevor die Verfolger Witterung bekamen, und er mußte mit überraschender Energie gewandert sein, da er an Fußtouren nicht gewöhnt war und es beinahe Mittag wurde, bevor Mountain ihn erspähte. In diesem Augenblick war der Händler allein, alle seine Kameraden folgten ihm auf sein eigenes Verlangen in mehreren hundert Metern Abstand. Er wußte, daß der Junker unbewaffnetwar, sein Herz war erregt von der Anstrengung und Jagdfreude, und als er seine Beute so nahe, so hilflos und offenbar so ermüdet vor sich sah, beschloß er ehrgeizig, die Gefangennahme mit eigener Hand allein vorzunehmen. Die nächsten Schritte führten ihn zum Rande einer kleinen Lichtung, wo auf der anderen Seite der Junker mit verschränkten Armen, den Rücken gegen einen großen Stein gelehnt, saß. Möglicherweise verursachte Mountain irgendein Geräusch, jedenfalls erhob der Junker den Kopf und blickte scharf zu dem Waldteil hinüber, wo der Verfolger lag. »Ich war nicht sicher, ob er mich sehen konnte«, sagte Mountain, »aber er blickte in meine Richtung wie ein zu allem entschlossener Mann, und mein ganzer Mut floß aus mir heraus wie Rum aus einer Flasche.« Und als der Junker bald darauf wegblickte und die Betrachtungen wieder aufzunehmen schien, in die er vor dem Kommen des Händlers versunken gewesen war, schlich Mountain vorsichtig zurück, um Hilfe bei seinen Spießgesellen zu suchen.
    Und nun beginnen die Überraschungen, denn der Spion hatte die andern gerade von seiner Entdeckung unterrichtet, und sie machten ihre Waffen fertig, um den Flüchtling zu überfallen, als der Mann selbst in ihrer Mitte erschien und offen und ruhig, die Hände auf dem Rücken, einherspazierte.
    »Hallo, Leute!« sagte er, als er sie sah. »Das ist ein glückliches Zusammentreffen, laßt uns zum Lager zurückgehen.«
    Mountain hatte den andern gegenüber sein eigenes Erschrecken und den einschüchternden Blick des Junkerszum Waldrand hin nicht erwähnt, so daß für sie die Rückkehr als freiwillig erschien. Trotzdem erhob sich Stimmengewirr, Flüche ertönten, Fäuste wurden geschüttelt und Gewehrläufe auf den Junker gerichtet.
    »Laßt uns zum Lager zurückkehren«, sagte der Junker, »ich habe eine Erklärung abzugeben, aber alle müssen dabei sein. Und inzwischen nehmt die Waffen weg, es könnte sich leicht ein Schuß lösen und alle eure Hoffnungen auf den Schatz vernichten. Ich würde«, sagte er lächelnd, »die Gans mit den goldenen Eiern nicht töten.«
    Der Reiz seiner geistigen Überlegenheit triumphierte wieder, und der Trupp machte sich in nicht gerade musterhafter Ordnung auf den Heimweg. Der Junkerfand unterwegs Gelegenheit, ein oder zwei Worte mit Mountain heimlich zu wechseln.
    »Sie sind ein kluger und kühner Bursche«, sagte er, »aber ich weiß nicht, ob Sie sich selbst Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich möchte Sie bitten zu überlegen, ob Sie nicht besser daran täten und sicherer wären, wenn Sie mir Ihre Dienste leisteten als einem so gemeinen Halunken wie Mr. Harris. Denken Sie darüber nach«,

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