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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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schloß er und gab dem Mann einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter, »aber übereilen Sie sich nicht. Tot oder lebendig, mit mir ist schlecht Kirschen essen.«
    Als sie zum Lager zurückkehrten, rannten Harris und Pinkerton, die Secundra bewacht hatten, wie tollwütig auf den Junker zu und waren außerordentlich erstaunt, als die andern sie aufforderten, zurückzubleiben und anzuhören, was der Gentleman ihnen zu sagen habe. Der Junker war ihrem Ansturm nicht gewichen, aber andererseits verriet er auch durch nichts die geringste Befriedigung darüber, daß er offenbar bei den Leuten Boden gewonnen hatte.
    »Wir wollen nichts übereilen«, sagte er, »laßt uns erst essen und dann öffentlich verhandeln.«
    Sie bereiteten also hastig eine Mahlzeit, und sobald sie gegessen hatten, begann der Junker, auf einen Ellbogen gestützt, seine Ansprache. Er redete lange und wandte sich an alle einzelnen, ausgenommen Harris, wobei er für jeden, Harris wieder ausgenommen, irgendeine besondere Schmeichelei fand. Er nannte sie »tapfere, ehrliche Haudegen«, sagte, er habe noch nielustigere Kameraden gehabt, die ihre Arbeit besser getan und Mühen heiterer ertragen hätten.
    »Nun denn«, sagte er, »jemand könnte fragen, warum beim Teufel sind Sie dann weggelaufen? Aber das wäre kaum einer Antwort wert, weil ihr es alle ziemlich genau wißt. Aber ihr wißt es eben nur ziemlich genau, und das ist der Punkt, den ich euch gleich erklären will, und ihr müßt aufpassen, wenn ich dazu komme. Ein Verräter ist unter uns, ein doppelter Verräter, ich werde euch seinen Namen nennen, bevor ich schließe, und das möge euch jetzt genügen. Aber nun könnte ein anderer Gentleman mich fragen: ›Warum zum Teufel sind Sie denn zurückgekommen?‹ Nun, bevor ich diese Frage beantworte, habe ich selbst eine zu stellen. Kann dieser Lump hier, dieser Harris, Hindustanisch sprechen?« Während er das ausrief, erhob er sich auf ein Knie und zeigte dem Mann mit unbeschreiblich drohender Geste ins Gesicht. Als man seine Frage bejahend beantwortet hatte, sagte er: »Aha! Dann sind alle meine Verdachtsgründe gerechtfertigt, und ich tat wohl daran zurückzukehren. Nun, Leute, sollt ihr zum erstenmal die Wahrheit hören!«
    Daraufhin begann er eine lange Geschichte und erzählte außerordentlich geschickt, daß er Harris schon seit langem beargwöhnt habe, und daß seine Befürchtungen sich als begründet herausgestellt hätten. Harris müsse das, was zwischen Secundra und ihm gesprochen worden sei, falsch wiedergegeben haben. Bei dieser Wendung machte er mit ausgezeichnetem Erfolg einen kühnen Ausfall.
    »Wahrscheinlich«, sagte er, »glaubt ihr, daß Harris mit euch teilen wird, ihr glaubt, daß ihr selbst dafür sorgen könnt. Ein so elender Halunke kann euch nicht betrügen, denkt ihr natürlich. Aber seht euch vor! Diese Halbidioten besitzen eine besondere Schlauheit, wie das Stinktier seinen Geruch, und es wird euch überraschen, daß Harris bereits für sich gesorgt hat. Ja, der Schatz ist für ihn nur Nebensache. Wenn ihr ihn nicht findet, müßt ihr verrecken, aber er wurde schon vorher bezahlt: mein Bruder hat ihn bestochen, damit er mich vernichtet. Seht ihn an, wenn ihr noch Zweifel habt, seht ihn an, diesen ertappten Dieb, wie er grinst und würgt!«
    Dann, nachdem er auf diese Weise einen günstigen Eindruck gemacht hatte, erklärte er, warum er geflohen sei und es für richtiger gehalten habe zurückzukehren, wozu er sich entschlossen habe, um den Kameraden die Wahrheit vorzutragen und mit ihnen zusammen sein Glück von neuem zu versuchen. Er sei überzeugt, sie würden Harris nunmehr sofort absetzen und einen anderen Führer wählen.
    »Das ist die volle Wahrheit«, sagte er, »und ich vertraue mich vollständig euren Händen an, mit einer Ausnahme. Wer ist diese Ausnahme? Dort sitzt er«, rief er und zeigte wieder auf Harris, »ein Mann, der den Tod verdient! Waffen und Bedingungen sind mir gleich, stellt mich ihm gegenüber, und wenn ihr mir nichts gebt als einen Stock, werde ich ihn in fünf Minuten in einen Haufen Dreck verwandeln, in dem sich die Hunde wälzen sollen.«
    Es war tiefe Nacht, als er zu sprechen aufhörte. Sie hatten fast vollkommen schweigend gelauscht, aber das schwache Licht des Feuers ermöglichte es niemand zu beurteilen, wie weit der Nachbar überredet oder überzeugt sei. Der Junker hatte sich an den hellsten Platz gesetzt und hielt sein Gesicht stets im Feuerschein, um im Augenkreis aller Leute zu

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