Der Junker von Ballantrae
Piratenstücke wegen der geringen Anzahl der Kämpfenden inmitten der Meereswüste etwas höchst Aufregendes an sich. Ich gestehe offen, daß ich nicht mitmachen konnte, wenn ich nicht dreiviertel betrunken war, und der Mannschaft ging es ebenso. Teach selbst war unbrauchbar, bis er voll Rum war, und es war eine der schwierigsten Aufgaben Ballantraes, uns unser genaues Maß von Alkohol zu verabreichen. Selbst das tat er bewunderungswert; er war alles in allem der fähigste Mensch und der von der Natur begabteste, den ich jeangetroffen habe. Er riß sich nicht einmal um die Gunst der Mannschaft, wie ich es durch fortwährenden Ulk wegen meiner Herzensangst tat, sondern bewahrte unter den meisten Umständen viel Würde und Distanz, so daß er wie ein Vater unter einer Familie von unerwachsenen Kindern oder wie ein Schulmeister unter seinen Zöglingen erschien. Seine Aufgaben waren um so schwerer zu erfüllen, als die Leute eingefleischte Nörgler waren; so gelinde Ballantraes Zucht war, widerstand sie doch ihrer Freiheitsliebe, und was noch schlimmer war: wenn sie nüchtern waren, hatten sie Zeit nachzudenken. Einige verfielen deshalb darauf, ihre verabscheuungswürdigen Verbrechen zu bereuen, und besonders einer, ein guter Katholik, mit dem ich mich manchmal beiseitestahl, um zu beten, vorzugsweise bei schlechtem Wetter, Nebel und strömendem Regen, wenn man uns weniger scharf beobachtete. Ich bin sicher, daß nie zwei Verbrecher im Zuchthaus ihre Andacht mit ernsterer Aufrichtigkeit verrichteten. Die anderen, die solche Hoffnungen nicht hegten, verfielen auf einen anderen Zeitvertreib, sie begannen die Beute nachzurechnen. Den ganzen Tag lang konnten sie ihre Anteile zählen und sich über das Resultat entrüsten. Ich habe gesagt, daß wir ziemlich gute Erfolge hatten, aber man bemerkt immer wieder, daß auf dieser Erde die Gewinne niemals den Erwartungen entsprechen. Wir fanden viele Schiffe und raubten sie aus, aber wenige nur enthielten viel Geld, ihre Ladung war gewöhnlich für uns wertlos, denn was sollten wir mit Pflügen oder gar mit Tabak machen, und es ist ein sehr qualvoller Gedanke,daß wir viele Besatzungen über das Brett ins Meer sandten, nur um etwas Schiffszwieback oder ein oder zwei Fässer Schnaps zu bekommen.
Inzwischen wurde unser Schiff sehr morsch, und es war hohe Zeit, unseren Zufluchtshafen anzusteuern, der in einer Flußmündung mitten in Sümpfen lag. Es war stillschweigend vereinbart, daß wir alsdann auseinander gehen und jeder seinen Beuteanteil fortschaffen sollte, und das machte jeden habgierig in Kleinigkeiten, so daß der Entschluß von Tag zu Tag hinausgezögert wurde. Schließlich führte ein nichtssagender Umstand, der dem Uneingeweihten lächerlich erscheinen mag, zur Entscheidung. Aber hier muß ich eine Erklärung einfügen. Von allen Schiffen, die wir ausraubten, bot nur eines ernsthaften Widerstand, nämlich das erste, auf dem sich Frauen befanden. Bei dieser Gelegenheit wurden zwei unserer Leute getötet und mehrere verletzt, und wenn Ballantrae nicht so tapfer gewesen wäre, hätte man uns schließlich ohne Zweifel zurückgeschlagen. Überall sonst war die Verteidigung, wenn sie überhaupt aufgenommen wurde, so schwach, daß die schlechtesten europäischen Truppen darüber gelacht hätten. Das Erklimmen der Bordseite war also unsere gefährlichste Aufgabe, und ich habe sogar gesehen, wie die armen Seelen an Bord uns Taue zuwarfen, so eifrig waren sie bemüht, uns zu helfen, dem Tode des Ertrinkens zu entgehen. Diese ständige Gefahrlosigkeit hatte unsere Leute verweichlicht, so daß ich verstehen konnte, warum Teach einen so tiefen Eindruck auf ihre Gemüter machte, denn die Anwesenheit dieses Irrsinnigen war unseregrößte Lebensgefahr. Das Ereignis, das ich erwähnen will, war folgendes: Wir hatten ein kleines Vollschiff nahe vor uns im Nebel gesichtet. Es segelte ebenso gut wie wir oder, um der Wahrheit näher zu kommen, ebenso schlecht, und wir machten ein Wurfgeschoß klar, um den Leuten ein paar Speere um die Ohren sausen zu lassen. Die See ging außerordentlich hoch, das Schiff schaukelte über alle Maßen, und es war nicht zu verwundern, daß unsere Schützen dreimal feuerten und immer noch weit vom Ziele landeten. Aber in der Zwischenzeit hatte das Segelschiff eine Kanone am Heck klargemacht, was durch den dichten Nebel verborgen blieb, und da sie besser schossen, traf die erste Kugel unsern Bugspriet und zerfetzte unsere Kanoniere zu Brei, so daß wir alle mit
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