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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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wir ihm zur Hilfe kommen konnten, war er mit seiner Beute versunken.
    Sein Schicksal und vor allem seine Schreie erschütterten uns, aber letzten Endes war es doch ein Glückszufall, der zu unserer Rettung beitrug, denn Dutton fühlte sich veranlaßt, einen Baum zu besteigen, von wo er eine Erhöhung des Waldes wahrnehmen konnte, ein Wahrzeichen des Fußweges, das er mir zeigte, da ich ihm nachgeklettert war. Er ging nun etwas sorgloser vorwärts, wie ich annehme, denn bald darauf sahen wir ihn etwas einsinken. Er zog die Füße heraus und sank wieder ein, und so zweimal hintereinander. Dann wandte er uns sein Gesicht zu, das sehr weiß geworden war.
    »Helft mir«, sagte er, »ich bin in Gefahr.«
    »Das scheint mir nicht so«, sagte Ballantrae und blieb stehen.
    Dutton stieß entsetzliche Flüche aus, sank wieder etwas tiefer ein, so daß der Morast ihm fast bis zum Gürtel reichte, und riß eine Pistole heraus. »Helft mir«, schrie er, »oder sterbt und fahrt zur Hölle!«
    »Nun«, sagte Ballantrae, »ich scherzte nur. Ich komme.« Er legte sein eigenes und Duttons Paket nieder, das er gerade trug. »Kommen Sie mir nicht nach, bevor ich sehe, daß ich Sie brauche«, sagte er zu mir, und ging allein vorwärts zu dem Platz, wo der Mann steckengeblieben war. Dutton war jetzt still, hielt die Pistole aber noch in der Hand, und die Anzeichen des Grauens konnte man nur mit tiefer Bewegung wahrnehmen.
    »Um des Himmels willen«, sagte er, »gebt scharf acht.«
    Ballantrae war nun ganz nahe bei ihm. »Haltet Euch ruhig«, sagte er und schien zu überlegen. Dann fuhr er fort: »Gebt mir beide Hände!«
    Dutton legte seine Pistole nieder, und so wäßrig war die Oberfläche des Bodens, daß sie sofort ganz verschwand. Mit einem Fluch bückte er sich, um nach ihr zu greifen, und in diesem Augenblick lehnte Ballantrae sich vor und stieß ihm einen Dolch zwischen die Schultern. Hoch über den Kopf warf er seine Hände, ich weiß nicht, ob aus Schmerz oder um sich zu wehren, und im nächsten Augenblick stürzte er nach vorn in den Morast.
    Ballantrae war bereits bis über die Knöchel eingesunken, aber er riß sich heraus und kam zurück zu mir, der ich mit zitternden Knien dastand. »Der Teufel hole Euch, Francis!« sagte er. »Ich glaube, Ihr seid dochein Hasenfuß. Ich habe nur Gericht gehalten über einen Piraten, und jetzt sind wir alle Verbindungen mit der »Sarah« los! Wer will nun behaupten, daß wir unsere Hände in unredlichen Dingen gehabt haben?«
    Ich versicherte ihn, daß er mir Unrecht tue, aber mein Gefühl für Menschlichkeit war durch die grauenhafte Tat so verletzt, daß ich kaum eine Antwort stammeln konnte.
    »Kommt«, sagte er, »Ihr müßt entschlossener sein. Wir brauchten diesen Burschen nicht mehr, als er Euch gezeigt hatte, wo der Fußpfad ist, und Ihr könnt nicht leugnen, daß ich ein Tor gewesen wäre, wenn ich eine so günstige Gelegenheit verpaßt hätte.«
    Ich konnte in der Tat nicht leugnen, daß er grundsätzlich recht hatte, aber trotzdem konnte ich mich der Tränen kaum erwehren, deren sich kein tapferer Mann zu schämen braucht, und ich mußte erst einen Schluck Rum nehmen, bevor ich weitergehen konnte. Ich wiederhole, daß ich keineswegs beschämt war über mein Mitgefühl, denn Mitleid ehrt den Krieger, und doch konnte ich Ballantrae nicht scharf tadeln. Er hatte wirklich Erfolg, denn wir erreichten den Pfad ohne weitere Zwischenfälle und kamen gegen Sonnenuntergang desselben Abends an den Rand des Sumpfes.
    Wir waren zu erschöpft, die Gegend auszukundschaften, legten uns auf den trockenen Sand, der noch warm war von der Tagessonne, dicht bei einem Kiefernwald, und fielen sogleich in Schlaf.
    Am nächsten Morgen erwachten wir sehr früh und begannen sofort verdrießlich eine Unterhaltung, die beinahemit Schlägen geendet hätte. Wir waren nun in den südlichen Provinzen gestrandet, tausende Meilen entfernt von einer französischen Niederlassung, eine furchtbare Reise und zahllose Gefahren lagen vor uns, und wenn je Freundschaft wertvoll war, so war sie es unter solchen Umständen. Ich kann nur vermuten, daß Ballantrae den Begriff wahrer Höflichkeit verloren hatte, und tatsächlich ist diese Vorstellung durchaus nicht sonderbar, nachdem wir solange mit Seeräubern zusammengelebt hatten. Er behandelte mich so schroff, daß jeder Mann von Ehre ein solches Benehmen zurückweisen mußte. Ich sagte ihm, in welchem Lichte ich sein Betragen sähe. Er entfernte sich etwas, und ich folgte

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