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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Der Aufenthalt in dem erstenHotel der Stadt richtete alle Blicke furchterregend auf uns, der Kaufmann aus Albany fand tausend Ausflüchte, um die Abreise zu verzögern, und schien sich aus seinen Verpflichtungen lösen zu wollen. Nichts als Gefahr schien uns arme Flüchtlinge zu umgeben, und eine Zeitlang suchten wir unsere Sorgen durch einen sehr unregelmäßigen Lebenswandel zu vergessen.
    Aber auch das war uns günstig, und man kann über unsere ganze Flucht nur sagen, daß alle unsere Schritte bis zum Schluß von der Vorsehung gelenkt wurden: welche Demütigung für die Würde des Menschengeschlechts! Meine Philosophie, die außerordentliche Begabung Ballantraes und unsere Tapferkeit, in der wir uns, wie ich zugebe, gleichstanden: alles das mochte unzureichend sein ohne den göttlichen Segen, der unsere Bemühungen begleitete. Und wie richtig ist es, wenn die Kirche uns lehrt, daß die Wahrheiten der Religion letzten Endes auch auf alltägliche Dinge durchaus anwendbar sind. Im Laufe unserer Ausschweifungen machten wir nämlich schließlich die Bekanntschaft eines mutigen jungen Mannes namens Chew. Cr war einer der kühnsten Händler unter den Indianern, wohlvertraut mit den geheimen Pfaden durch die Wildnis, bedürftig, liederlich und, ein weiterer guter Zufall, von seiner Familie ziemlich verachtet. Ihn überredeten wir, uns beizustehen. Er beschaffte heimlich alles, was wir zur Flucht brauchten, und eines Tages machten wir uns stillschweigend fort aus Albany, ohne uns von unserem früheren Freund zu verabschieden, und bestiegen etwas höher hinauf ein Kanu.
    Um die Mühseligkeiten und Gefahren dieser Reise richtig zu beschreiben, bedürfte es einer geübteren Feder. Der Leser selbst muß sich die furchtbare Wildnis vorstellen, die wir nun zu durchqueren hatten, mit ihren Dickichten, Sümpfen, steilen Felsen, reißenden Strömen und tosenden Wasserfällen. Inmitten dieser wilden Szenerie mußten wir den ganzen Tag schuften, indem wir bald paddelten, bald unser Kanu auf den Schultern trugen. Nachts schliefen wir bei einem Feuer, umlauert von heulenden Wölfen und anderen wilden Tieren. Unser Plan war, gegen die Strömung des Hudson bis in die Nähe von Crown Point vorzudringen, wo die Franzosen in den Wäldern am Champlain-See einen befestigten Platz hatten. Aber der direkte Weg war zu gefährlich, und wir benutzten deshalb ein solches Labyrinth von Flüssen,, Seen und Stromschnellen, daß mein Gehirn sich verwirrt, wenn ich daran denke. Diese Wege waren gewöhnlich ganz einsam, aber jetzt war das Land in Aufruhr, die Stämme auf dem Kriegspfad, die Wälder voll von Indianerspionen. Immer wieder trafen wir auf solche Gruppen, wenn wir es am wenigsten erwarteten, und eines Tages fanden wir uns, was ich nie vergessen werde, in der Abenddämmerung plötzlich umzingelt von fünf oder sechs dieser bemalten Teufel, die wüste Schreie ausstießen und ihre Beile schwangen. Aber alles verlief friedlich wie unsere sämtlichen Abenteuer, denn Chew war bei den verschiedenen Stämmen gut bekannt und hoch geschätzt. Er war wirklich ein sehr tapferer, anständiger, kluger Mensch, aber selbst in seiner Begleitung waren diese Zusammenkünftedurchaus nicht ungefährlich. Um unsere Freundschaft kundzutun, mußten wir Rum verteilen, wie es denn die eigentliche Aufgabe der Indianerhändler ist, in den Wäldern in irgendeiner Weise eine wandernde Schänke bei sich zu behalten. Hatten die Tapferen ihre Flasche »Scaura«, wie sie den widerlichen Schnaps nennen, einmal erhalten, so konnten wir weiterwandern und unsere Skalpe retten. Waren sie erst etwas betrunken, so war Vernunft und Anstand vergessen, sie hatten nur noch den einen Gedanken, mehr »Scaura« zu bekommen. Es hätte ihnen dann leicht einfallen können, uns zu verfolgen, und wenn sie uns eingeholt hätten, so hätte ich dies Tagebuch nie geschrieben.
    Wir waren zum kritischen Punkt unserer Reise gelangt, wo wir sowohl in die Hände der Franzosen als auch in die der Engländer geraten konnten, als uns ein entsetzliches Unglück zustieß. Chew wurde plötzlich krank, zeigte alle Symptome der Vergiftung und verschied nach wenigen Stunden auf dem Boden des Kanus. Wir verloren so zugleich unseren Führer, unseren Dolmetscher, unseren Bootsmann und unseren Paß, was er alles in einer Person war, und sahen uns mit einem Schlage einer verzweifelten Hilflosigkeit gegenüber. Chew, der sehr stolz war auf seine Kenntnisse, hatte uns allerdings oft Unterricht gegeben in der

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